Transparenz im Stornohaftungsfall: Vertreter dürfen Informationen über Ersatzverträge verlangen
Berlin, 26. August 2025 – Mit Urteil vom 24. Juli 2025 (Az.: VII ZR 176/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass Versicherungsvertreter nach ihrem Ausscheiden einen Anspruch auf Auskunft nach § 87c Abs. 3 HGB über abgeschlossene Ersatz- oder Ergänzungsverträge haben, wenn die von ihnen betreuten Kunden den ursprünglich vermittelten Vertrag während der Stornohaftungszeit gekündigt oder den Beitrag herabgesetzt haben und der Versicherer oder Strukturvertrieb daraufhin eine Provisionsrückbelastung zulasten des Vertreters vorgenommen hat.
Konkret dürfen also ausgeschiedene Handelsvertreter vom Versicherungsunternehmen oder dem Strukturvertrieb verlangen offenzulegen, welche der von ihnen vermittelten Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherungen etc. im Haftungszeitraum vom Kunden storniert wurden und anschließend durch einen neuen Vertrag mit gleichem versicherten Risiko ersetzt wurden.
Besondere praktische Relevanz erlangt das Urteil vor dem Hintergrund sogenannter Umdeckungen in Strukturvertrieben. In der Praxis werden Kündigungen oft auch durch interne Bestandsumschreibungen verursacht – etwa wenn ein Strukturvertrieb den Kundenbestand eines ausgeschiedenen Vertreters an andere Vertreter überträgt, die die Policen dann weiterbetreuen und häufig neu abschließen. Ein neu abgeschlossener Ersatzvertrag über das identische Risiko gilt dabei häufig als einziges objektives Indiz für eine möglicherweise unzulässige Umdeckung. In einem solchen Fall bliebe der ursprüngliche Provisionsanspruch des zuerst beratenden Vertreters gemäß § 87a Abs. 3 HGB bestehen – das heißt, der bereits gezahlt Provisionsvorschuss kann nicht zurückgefordert werden, obwohl der betreffende Vertrag storniert wurde.
Für Versicherungsvertreter, die nach Vertragsbeendigung ihres Handelsvertretervertrags mit Provisionsrückforderungen konfrontiert sind, ist diese Entscheidung besonders bedeutsam.
Nicht selten verlangen Versicherungsunternehmen und Strukturvertriebe von ausgeschiedenen Vertretern die anteilige Rückzahlung der Vergütungen für sämtliche während der Haftungszeit stornierten Verträge. Dabei liegen die Ursachen der Stornierungen jedoch oft außerhalb des Einflussbereichs des ursprünglichen Vertreters – etwa weil der Versicherer nach Ausscheiden des Vertreters keine ausreichenden Bestandserhaltungsmaßnahmen ergriffen, oder weil ein anderer Vermittler den Kunden zu einer Vertragskündigung mit Neuabschluss verleitet hat. Das BGH-Urteil sorgt nun für Transparenz:
Ehemalige Vertreter dürfen vom Versicherer und Strukturvertrieb nun Auskunft verlangen, um solche Hintergründe aufzudecken und müssen Provisionsrückforderungen nicht mehr blind hinnehmen.
„Der BGH hat klargestellt, dass ausgeschiedene Vertreter sich nicht länger blind auf Provisionsrückforderungen einlassen müssen. Sie haben ein Recht zu erfahren, ob ihre Kunden gezielt umgedeckt wurden“, so Rechtsanwalt Norman Strübing von Wirth Rechtsanwälte.