OLG Dresden untersagt „Unabhängig“ Werbung – Wirth Rechtsanwälte üben Kritik

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Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht

Veröffentlicht am:

18. November 2025
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OLG Dresden untersagt „Unabhängig“-Werbung von Versicherungsmaklern – Wirth Rechtsanwälte kritisieren realitätsferne Auslegung zulasten der Vermittlerschaft

Berlin, 18. November 2025 – Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 28. Oktober 2025 (Az. 14 U 1740/24) entschieden, dass Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler in ihrer Werbung nicht mit dem Begriff „unabhängig“ auftreten dürfen, sofern sie – wie branchenüblich – von Versicherungsunternehmen eine Courtage erhalten. Die Richter stufen eine solche Werbeaussage als irreführend und damit wettbewerbswidrig ein. Wirth Rechtsanwälte kritisieren die Entscheidung als verengte Betrachtung, die der rechtlichen Stellung des Maklers im System des Versicherungsvermittlungsrechts nicht gerecht wird.

Das OLG argumentiert, Verbraucherinnen und Verbraucher würden unter dem Begriff „unabhängig“ verstehen, dass keinerlei wirtschaftliche Verbindung zu Produktgebern besteht. Da Maklerinnen und Makler jedoch in der Regel über Courtagen vergütet werden, sei die Aussage unzutreffend. Zudem verwische sie die gesetzliche Abgrenzung zum Versicherungsberater, der nach § 34d Abs. 2 GewO und gemäß IDD keine Vergütungen von Versicherern annehmen darf. Ein solcher Eindruck sei unlauter, selbst wenn die tatsächliche Beratungstätigkeit des Maklers vollständig an den Interessen der Kundinnen und Kunden ausgerichtet sei.

Wirth Rechtsanwälte weisen darauf hin, dass diese wettbewerbsrechtliche Auslegung wesentliche gesetzliche Grundlagen und Differenzierungen ignoriert. „Versicherungsmaklerinnen und -makler sind gesetzlich als treuhänderische Sachwalter ihrer Kunden anerkannt – sowohl nach § 59 Abs. 3 VVG als auch in der Systematik der IDD. Die Behauptung, sie seien durch eine marktübliche Courtage wirtschaftlich abhängig, ist mit dieser Stellung nicht vereinbar“, erläutert Rechtsanwalt Tobias Strübing. Die Gleichsetzung mit Versicherungsberatern verkenne grundlegende Unterschiede im Berufsbild und in der Regulierung.

Die Entscheidung des OLG Dresden reiht sich in eine Serie ähnlich gelagerter Urteile ein – unter anderem vom OLG München (2020), dem OLG Köln (2024) und dem LG Köln (2025). In der Summe führt diese Rechtsprechung dazu, dass Versicherungsmaklerinnen und -makler ihre Kommunikation grundlegend überdenken müssen: Der Begriff „unabhängig“ kann – selbst im Kontext freier Anbieterwahl und ohne vertragliche Bindung an Versicherer – wettbewerbsrechtlich riskant sein. Auch spätere Hinweise auf Vergütungsmodelle oder gesetzliche Klarstellungen im Erstgespräch reichen nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um den irreführenden Eindruck aus der Werbung zu beseitigen.

Wirth Rechtsanwälte raten dazu, bestehende Werbemaßnahmen zu überprüfen und auf die pauschale Verwendung des Begriffs „unabhängig“ zu verzichten. Rechtlich sicherer ist es, die besondere Stellung der Maklerschaft als treuhänderische Interessenvertretung ihrer Kundinnen und Kunden sowie die freie Auswahl unter zahlreichen Produktgebern hervorzuheben – ohne dabei den Begriff zu verwenden, den Gerichte nun zunehmend kritisch sehen.

„Zwar ist Verbraucherschutz wichtig, jedoch wird das Urteil in Vermittlerkreisen auch kritisch gesehen“, erläutert Rechtsanwalt Tobias Strübing von Wirth Rechtsanwälte. „Viele Makler verstehen unter ,unabhängig‘ vor allem die freie Anbieterwahl ohne Bindung an einen Versicherer. Dass schon die übliche Courtage den Begriff unzulässig macht, halten viele für überzogen. Dennoch sollten Vermittler dieses Wort nun sicherheitshalber aus ihrer Werbung streichen, um Abmahnungen zu vermeiden.“

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Lesen Sie hier das ganze Urteil

Oberlandesgericht Dresden

IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungskläger –

gegen

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

wegen Unterlassung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Richter am Oberlandesgericht, Richterin am Oberlandesgericht und Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2025 am 28.10.2025 für Recht erkannt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an deren gesetzlichem Vertreter, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite https://risk007.de oder Unterseiten dieser Seite

  • als Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO sich als „unabhängiger Versicherungsmakler”, ,,unabhängiger Finanzmakler”, ,,unabhängiger Ansprechpartner für Versicherungen” oder „unabhängig” zu bezeichnen oder mit ,,unabhängiger Beratung” zu werben,

und/oder

  • zu behaupten, für die spezifische Produkt- oder Tarifberatung sowie Vermittlung und Abschluss der Versicherung empfehle die Verbraucherzentrale Chemnitz meist an einen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie Risk007 weiter, wie in Anlage K 4 dargestellt,

und/oder

  • als Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1GewO damit zu wer-ben, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen zu haben und dies als einen großen Mehrwert und doppeltes Netz darzustellen, wie in An-lage K 5 dargestellt.
  • Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11O Prozent des vollstreckbaren Betrages ab-wenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 11O Pro-zent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  • Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger macht lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen des Internetauftritts der Beklagten als Versicherungsmaklerin geltend.

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte betreibt die Website https://risk007.de und verfügt über eine Erlaubnis als Versiche-rungsmaklerin. Die Beklagte hat eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung über

1.350.000 Euro für jeden Versicherungsfall und über 2.700.000 Euro für alle Versicherungsfäl-le eines Jahres abgeschlossen.

Auf ihrer Website bewarb die Beklagte sich und ihre Tätigkeit jedenfalls bis zum 08.02.2024 unter anderem wie folgt (Anlagen K 1 – K 3):

„Dein unabhängiger Versicherungsmakler in Chemnitz … Bei uns erwartet dich transparente und unabhängige Beratung zu allen Versicherungen auf Augenhöhe. Als unabhängiger Versicherungsmakler handeln wir stets in deinem Interesse und nicht im Interesse einer Versicherungsgesellschaft.“

„Die vielen Vorteile eines freien Versicherungsmaklers gegenüber eines gebundenen Versicherungsvertreters haben wir ausführlich in unserem Ratgeber … erläutert.“

In aller Kürze:

  • Unabhängige Beratung
  • an keine Versicherungsgesellschaft gebunden

„Als unabhängiger Finanzmakler handeln wir stets im Interesse unserer Kunden und nicht im Sinne einer Versicherungsgesellschaft.“

Weiterhin warb die Beklagte auf ihrer Webseite unter der Überschrift „Ist eine Versicherungsberatung durch die Verbraucherzentrale Chemnitz zu empfehlen?” wie folgt (Anlage K 4):

„Bei der Verbraucherzentrale Chemnitz erhältst Du eine gute allgemeine Beratung zum Thema Versicherungen und Finanzen gegen ein Entgelt. Als Ergebnis bekommst Du meist eine Liste mit Versicherungsempfehlungen. Für die spezifische Produkt oder Tarifberatung sowie Vermittlung und Abschluss der Versicherung wirst Du danach meist an einen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie Risk007 weiterempfohlen.“

Schließlich informierte die Beklagte unter der Rubrik „Gut zu wissen” wie folgt (Anlage K 5):

„Als Versicherungsmakler sind wir unseren Mandanten zum Schadensersatz verpflichtet. Sollten wir uns einmal irren und Dir durch unsere Fehleinschätzung ein Schaden entstehen, haften wir dafür. Für diese Fälle haben wir eine Vermögensschaden Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die bei möglichen Schäden einspringt. Für unsere Kunden ist das ein großer Mehrwert und im schlimmsten Fall ein doppeltes Netz.“

Der Kläger ist der Auffassung, durch die Behauptung der Beklagten auf ihrer Webseite, sie sei und berate unabhängig, täusche sie interessierte Verbraucher darüber, dass sie keineswegs eine unabhängige, sondern eine interessengebundene Vermittlung und Beratung betreibe. Die Beratung könne nie ganz unabhängig sein, da die Versicherungsvermittlung in der Regel provisionsbasiert erfolge. Die Behauptung, für die spezifische Produkt- oder Tarifberatung sowie die Vermittlung und den Abschluss der Versicherung empfehle die Verbraucherzentrale Chemnitz meist an einen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie Risk007 weiter, sei unwahr. Dadurch, dass die Beklagte den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als et-was Besonderes hervorhebe und sie als Mehrwert und doppeltes Netz darstelle, werbe sie verbotswidrig mit einer Selbstverständlichkeit.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.12.2024, auf dessen tatsächliche Feststellun-gen Bezug genommen wird, abgewiesen, da in keinem der drei Fälle eine unlautere Werbung der Beklagten zu erkennen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, Verbraucher würden bei der Werbung mit einer Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers und seinen Leistungen er-warten, dass die Tätigkeit nicht durch Eigeninteressen überlagert ist, die aus dem Verhältnis des Maklers zu den Versicherungsanbietern herrühren, von denen er Courtage erhalte. Dies sei aber bei einer Versicherungsmaklerin wie der Beklagten der Fall. (Antrag zu 1.). Die ver-meintliche Empfehlung unter „www.verbraucherzentrale.de” (Anlage KJR 1) stelle eine spezi-elle Handlungsanleitung dar, die keine allgemeine Aussage zugunsten von Versicherungsmak-lern bei Versicherungsfragen enthalte (Antrag zu 2.). Im Übrigen sei die Werbeaussage der Beklagten irreführend, da der falsche Eindruck entstehe, dass die Verbraucherzentrale Chem-nitz auch die Beklagte empfehle. In der Anpreisung des Vorliegens einer Vermögensscha-

den-Haftpflichtversicherung (Antrag zu 3.) würden Summen nicht genannt. Der Werbeaussa-gen zum „Mehrwert” oder „doppelten Netz” würden sich damit gerade nicht auf die tatsächli-che Summe, sondern allein auf den Umstand beziehen, dass die Beklagte eine Haftpflichtver-sicherung abgeschlossen habe.

Der Kläger beantragt:

das am 4. Dezember 2024 verkündete und am 4. Dezember 2024 zugestellte Urteil des Landgerichts Leipzig zum Aktenzeichen 05 0 1092/24 abzuändern und die Beklag-te zu verurteilen,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite https://risk007.de/ oder Unterseiten dieser Seite

1.

als Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO sich als „unabhängi-ger Versicherungsmakler”, ,,unabhängiger Finanzmakler”, ,,unabhängiger Ansprechpart-ner für Versicherungen” oder „unabhängig” zu bezeichnen oder mit „unabhängiger Be-ratung” zu werben,

und/oder

2.

zu behaupten, für die spezifische Produkt- oder Tarifberatung sowie Vermittlung und Abschluss der Versicherung empfehle die Verbraucherzentrale Chemnitz meist an ei-nen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie Risk007 weiter, wie in der An-lage K 4 dargestellt,

und/oder

3.

als Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach§ 34d Abs. 1 GewO damit zu werben, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen zu haben und dies als ei-nen großen Mehrwert und doppeltes Netz darzustellen, wie in der Anlage K 5 darge-stellt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte ist der Auffassung, die mit Antrag Ziff. 1 beanstandete Verwendung des Begriffs „unabhängig” sei nicht irreführend. Der angesprochene Verkehrskreis erwarte bei einer Werbung mit der Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers nicht, dass dieser von Ver-sicherungen nicht vergütet, sondern dass er nicht von einem einzelnen oder einer irrelevant kleinen Anzahl von Anbietern gesteuert werde. Ein Versicherungsmakler würde sich nach § 63 WG rechtlich angreifbar machen, wenn er ein Versicherungsprodukt empfehle, ohne damit den Kundenbedarf zu decken. Versicherungsberater wie auch Versicherungsmakler stünden beide – rechtlich und tatsächlich – im Interessenlager des Kunden, weswegen beide Berufs-zweige als unabhängig betrachtet werden könnten. Der Versicherungsmakler dürfe sich als unabhängig bezeichnen, wenn er rechtlich und wirtschaftlich nicht von Versicherern abhängig ist und bei seiner gesetzeskonformen Tätigkeit Eigeninteressen nicht vorrangig verfolgt.

Die mit Antrag Ziff. 2. angegriffene Aussage sei eine wahre Tatsachenbehauptung. Mehrfach hätten sich in den vergangenen Jahren Kunden an die Beklagte gewandt, nachdem sie ihnen von der Verbraucherzentrale empfohlen worden sei. Der Kläger erkläre selbst auf seiner Web-seite, dass zum Beispiel im Falle von Risikovoranfragen ein Versicherungsmakler beauftragt werden solle, welcher sodann für Kunden die entsprechende Versicherbarkeit prüfe. Hinsicht-lich Antrag Ziff. 3. wendet die Beklagte ein, dass sie einen über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehenden Versicherungsschutz habe.

Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2025 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers ist vollumfänglich begründet. Dem Kläger stehen die gel-tend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche nach allen drei Anträgen gegen die Beklagte zu.

  • Der Kläger kann gemäß Antrag Ziff. 1. von der Beklagten aus§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3 UWG verlangen, es zu unterlassen, sich im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf ihrer Internetseite gegenüber Verbrauchern als „unabhängiger Versicherungsmakler”, ,,unabhängiger Finanzmakler” oder „unabhängiger Ansprechpartner für Versicherungsleistungen” oder als „unabhängig” zu bezeichnen oder mit „unabhängiger Beratung” zu werben, da diese angegriffenen Handlungen der Beklagten auf ihrer Webseite (K 1 – K 3) irreführend sind. Irreführend ist eine geschäftliche Handlung, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH WRP 2014, 57 – Vermittlung von Netto-Policen, mwN).
  • Maßgeblich hierfür ist zunächst, welchen Gesamteindruck die jeweilige geschäftliche Handlung bei dem angesprochenen Verkehrskreis hervorruft (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – 1 ZR 98/23 – klimaneutral, Rn. 18 m.w.N., juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 5 Rn. 1.81). Dabei kommt es auf die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2000, 619 juris Rn. 20 – Orient-Teppichmuster; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O. Rn. 1.76 ff. m.w.N.). Der angesprochene Ver-kehrskreis besteht hier in den (potentiellen) Kunden von Versicherungen, d.h. den Ver-sicherungsinteressenten und Versicherungsnehmern. Zu den am Abschluss sowie der Änderung oder Beendigung eines Versicherungsvertrages interessierten, vom Antrag allein erfassten Verbrauchern gehören mögliche Neukunden ebenso wie Altkunden. Dies erstreckt sich auch auf die an Finanzdienstleistungen interessierten Marktteilneh-mer. Die Mitglieder des Senats sind Teil dieses angesprochenen Verkehrskreises. Sie können daher auf Grund eigener Sachkunde entscheiden (BGH GRUR 2012, 1053 – Marktführer Sport). Die Einholung eines demoskopischen Sachverständigengutach-tens zur Verkehrsbefragung war nicht erforderlich.
  • Aufgrund der beanstandeten Angaben i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1, 3 UWG entsteht bei ei-nem erheblichen Teil des Verkehrs der Gesamteindruck, die Tätigkeit des „unabhängi-gen” Versicherungsmaklers würde für ihn ohne finanziellen Vorteil durch einen Versi-cherer erfolgen. Eigeninteressen des Versicherungsmaklers, die sich ansonsten aus einer Vergütung durch den Versicherer ergeben können, blieben aus, weil sie ihm nicht zuwachse.
    • Der Auffassung der Beklagten, ,,unabhängig” werde beim Versicherungsmakler ledig-lich so verstanden, dass er nicht von einem einzelnen oder einer im Hinblick auf den Gesamtmarkt irrelevant kleinen Anzahl von Anbietern gesteuert, sondern von hinrei-chend vielen Anbietern gleich behandelt werde, schließt sich der Senat nicht an. Die beworbene Unabhängigkeit eines Versicherungsmaklers wird von einem maßgebli-chen Teil des Publikums nicht so aufgefasst, dass finanzielle Vorteile seitens der Ver-sicherer gleich gewährt werden, sondern gänzlich unterbleiben. Dabei brauchen entgegen der vom Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. in Auftrag gegebe-nen gutachterlichen Stellungnahme vom 7.10.2025 (KJR 11) die finanziellen Vorteile, die einer Unabhängigkeit entgegenstehen, nicht so weit zu reichen, dass sie mit einem bestimmten Versicherer einen übermäßigen Courtage-Umsatz oder sogar den ganz überwiegenden Teil der Einkünfte des Versicherungsmaklers ausmachen und er ohne sie seine wirtschaftliche Existenzgrundlage verlöre. Vielmehr genügt nach einem er-heblichen Teil des Verkehrs ein finanzieller Vorteil, der sich im jeweiligen Einzelfall aus-wirken und dem Versicherungsmakler die Unabhängigkeit nehmen könnte.
  • Ausgangspunkt für die Prüfung des erzeugten Gesamteindrucks ist der Wortsinn im allgemeinen Sprachgebrauch (BGH WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen). Da sich der Kläger nach dem Antrag auf die Webseite der Beklagten und damit die konkrete Verletzungsform bezieht, ist auf das Verständnis in diesem Zusammenhang abzustellen (vgl. BGH WRP 2022, 837 Rn. 26 – Kinderzahnärztin). Dem trägt die gutachterliche Stellungnahme vom 7.10.2025 (KJR 11) nicht hinreichend Rechnung. Nach dem Sprachverständnis bedeutet „unabhängig” im Streitfall, von einem Einfluss seitens der Versicherer frei zu sein. Die Vorstellung von einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs geht dabei dahin, dass der unabhängige Versicherungsmakler frei von einer möglichen Einflussnahme dadurch sei, auch nur von einem einzelnen und erst recht von einer kleinen oder größeren Anzahl von Anbietern Vergütungen oder sonstige Zuwendungen zu erhalten. Mit der Bezeichnung des Versicherungsmaklers als unabhängig gewinnt ein relevanter Teil des Verkehrs den Eindruck, der Versicherungsmakler stehe zu keinem Anbieter in einem Provisionsverhältnis oder einer sonstigen Abgängigkeit und sei schon deshalb auch frei von der Möglichkeit eines vorrangigen Provisionsinteresses.
  • Uber den Wortsinn hinaus können auch gesetzliche Ausprägungen für den zu ermittelnden Gesamteindruck von Bedeutung sein. Denn die Verkehrsauffassung kann durch Rechtsvorschriften grundsätzlich in der Form beeinflusst werden, dass sie den bestehenden Normen entspricht (vgl. BGH WRP 2009, 1095 – Versicherungsberater; BGH GRUR 2020, 299 Rn. 17 – IVD-Gütesiegel; BGH GRUR 2021, 1315 Rn. 21 – Kieferorthopädie, mwN). Dies ist jedoch nicht zwingend, sondern bedarf der Prüfung im Einzelfall (BGH WRP 2022, 837 Rn. 32 – Kinderzahnärztin).

Im Streitfall ist nach der Legaldefinition in § 59 Abs. 3 WG und § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GewO der Versicherungsmakler im Unterschied zum Versicherungsvertreter nicht von

einem Versicherer, sondern von einem Kunden mit einem Vermittlungsgeschäft be-traut. Der Versicherungsmakler bemüht sich um die Vermittlung des für den Versicherungsnehmer passendsten Versicherungsvertrags, indem er nach einer eingehenden Untersuchung des zu versichernden Risikos und einer Deckungsanalyse, d. h. nach der Ermittlung der richtigen Versicherungsart und der bedarfsgerechten Versicherungssumme, das Angebot für den im jeweiligen Einzelfall geeignetsten Versicherungsschutz beschafft (i.e. Bedarfsermittlung, Beratung und Dokumentation, vgl. Prölss/Martin/Dörner, 32. Aufl. 2024, VVG § 59 Rn. 73). Eine Beschränkung der Beratungsgrundlage auf eine bestimmte Auswahl an Versicherern und Versicherungsverträgen oder sogar nur einen bestimmten Versicherer oder Vertrag lässt§ 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 WG lediglich zu, wenn der Versicherungsmakler im Einzelfall ausdrücklich darauf hinweist.

Aus diesen Vorschriften erschließt sich indessen nicht, dass sich ein Versicherungs-makler als unabhängig bezeichnen dürfte. Versicherungsmakler, die ihr Gewerbe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften des WG, der VersVermV und der GewO ausüben, handeln gesetzeskonform, aber nicht bereits deswegen auch unabhängig. Darauf nimmt die gutachterliche Stellungnahme vom 7.10.2025 (KJR 11) nicht ausrei-chend Bedacht.

Ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises begrenzt die in der Werbung als attributives Adjektiv zur Berufsbezeichnung herausgestellte Unabhängigkeit nicht auf das Vorliegen hierfür unergiebiger gesetzlicher Vorgaben. Vielmehr nimmt er an, dass sich der „unabhängige” Versicherungsmakler durch den besonderen Vorzug der Unabhängigkeit hervorhebe. Aufgrund des Begriffs des „Maklers”, dessen Be-griff auch in anderen Lebensbereichen – etwa auf dem Immobilienmarkt – gebräuchlich ist, und der regelmäßigen Kostenfreiheit der Dienstleistung geht er davon aus, dass ei-nem Makler grundsätzlich bei Vertragsabschluss eine vom jeweiligen Versicherer zu leistende Provision bzw. eine Courtage zuwächst. Wirbt ein Versicherungsmakler hin-gegen damit, er selbst bzw. seine Tätigkeit seien „unabhängig”, ergibt sich für einen erheblichen Teil des Publikums die Vorstellung, dass der Versicherungsmakler in der Erbringung seiner Dienstleistung nicht nur frei von einer Bindung als Vertreter des Versicherers und frei von wirtschaftlicher Existenznot, sondern auch frei von finanziellen Vorteilen durch Versicherer sei und damit ohne mögliches Provisionsinteresse agiere. Bereits die Befürchtung einer Beeinflussung der Interessenwahrnehmung durch eine Provision wird dadurch nachvollziehbar und werbewirksam von vornherein ausgeräumt. Die sprichwörtliche Annahme „Wes· Brot ich ess, des Lied· ich sing” findet keine Grundlage und wird schon im Ansatz verhindert.

  • § 94 Abs. 1 WpHG bestimmt, dass Bezeichnungen wie „unabhängiger Honoraranlage-berater” u.a. in abweichender Schreibweise oder eine Bezeichnung, in der diese Wör-ter enthalten sind, zur Bezeichnung des Geschäftszwecks oder zu Werbezwecken grundsätzlich nur diejenigen Wertpapierdienstleistungsunternehmen führen dürfen, die im Register unabhängiger Anlageberater nach § 93 WpHG eingetragen sind. Für den Bereich der Versicherungsberatung fehlt es an einer dem § 94 Abs. 1 WpHG entspre-chenden Regelung. Hieraus lässt sich jedoch nicht, wie die Beklagte meint, im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollte, der Versicherungsmakler dürfe sich als „unabhängig” darstellen, wohingegen der Ho-norar-Finanzanlagenberater dies nur bei Eintragung in das Register könne. Dagegen spricht schon, dass für den Honorar-Finanzanlagenberater i.S.v. § 34h Abs. 1 S. 1 Ge-wO das Provisionsannahmeverbot gilt und ihm hierin nur der Versicherungsberater gleichsteht, nicht aber der Versicherungsmakler.
  • Tatsächlich erhält die Beklagte wie grundsätzlich jeder Versicherungsmakler regelmä-ßig Vergütungen von den Versicherungsunternehmen.
  • Der Versicherungsmakler steht in einem Doppelrechtsverhältnis: einerseits zu den Versicherern wegen der mit ihnen regelmäßig bestehenden Kooperationsvereinbarun-gen bzw. Courtageabreden und der dem Vertragsabschluss nachfolgenden Korre spondenzpflicht und andererseits zu den Kunden, von denen er mit einem Vermitt-lungsgeschäft betraut wird (Beckmann/Matusche-Beckmann VersR-HdB/Matusche-Beckmann, 4. Aufl. 2025, § 13 Rn. 230; Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht, WG § 59 Rn. 39). Ein Versicherungs-makler finanziert sich über Provisions-/Courtagezahlungen der Versicherer. Mit der Versicherungswirtschaft ist er deshalb finanziell verflochten (OLG Köln Urt. v. 7.2.2024

– 6 U 103/23, BeckRS 2024, 46804). Aus den Zahlungen und Vorteilen durch die Versi-cherer können sich aus Sicht von maßgeblichen Teilen des Verkehrs Eigeninteressen des Versicherungsmaklers ergeben, die – so die Befürchtung – in seine Maklertätigkeit einfließen und bei einem Drittvergleich den Ausschlag für das Angebot mit der höheren Provision geben könnten. Eine Unabhängigkeit schlösse dies schon im Ansatz aus, in-dem der Versicherungsmakler solche finanziellen Vorteile bereits nicht erhielte. Dieser durch die Bezeichnung als unabhängig bei erheblichen Teilen des Verkehrs hervorge-

rufene Eindruck stimmt indessen angesichts der Vergütungen mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht überein und begründet eine Fehlvorstellung.

  • Tatsächlich ist die Beklagte gerade kein Versicherungsberater und auch nicht unab-hängig wie ein Versicherungsberater. Mit ihrer Werbung zur Unabhängigkeit stellt sie sich indessen einem Versicherungsberater, von dem der Versicherungsmakler nach dem Trennungsgebot des § 34d Abs. 3 GewO streng zu unterscheiiden ist (BT-Drs. 18/11627, S. 35 f; OLG Köln Urt. v. 7.2.2024 -6 U 103/23, BeckRS 2024, 46804), in ir-

reführender Weise gleich. Damit ermöglicht sie einerseits, als Versicherungsmakler Provisionen von Versicherern zu erhalten, andererseits aber wie ein Versicherungsbe-rater den Eindruck auszuschließen, durch Provisionen könne Einfluss auf den Drittver-gleich mit anderen Angeboten genommen werden. Dies verstößt gegen das Gebot der Trennung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsberater.

Die Unabhängigkeit prägt das Berufsbild des Versicherungsberaters und zeigt sich in dem unbedingten Provisionsannahmeverbot (BT-Drs. 16/1935, S. 21}. So bedeutet für den Versicherungsberater, der allein vom Kunden vergütet wird, die (wirtschaftliche und sonstige) Unabhängigkeit mehr als eine – sowohl für den Versicherungsmakler als auch den Versicherungsberater geltende – Pflicht, dem Versicherungsnehmer die sei-nen Interessen bestmöglich entsprechende Versicherung zu recherchieren und anzu-bieten. Es kam dem Gesetzgeber vielmehr insbesondere darauf an, dass der Versi-cherungsberater keinerlei Zuwendungen eines Versicherungsunternehmens im Zu-sammenhang mit der Beratung, insbesondere auf Grund einer Vermittlung als Folge der Beratung, annehmen darf. Deshalb bestimmen §§ 59 Abs. 4 VVG, 34d Abs. 2 S. 1 GewO für den Versicherungsberater, dass er gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinba-rung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen berät, ohne von einem Ver-sicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm ab-hängigzu sein. Ohne abhängig von „einem” Versicherer i.S.v. § 34d Abs. 2 GWB zu sein, meint entgegen der Auffassung des Landgerichts (LGU S. 6) nicht den Singular, sondern den unbestimmten Artikel. Unabhängig ist der Versicherungsberater vielmehr, weil er von keinem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil erhält. Die Unabhängigkeit erfordert auch, dass der Versicherungsberater Zuwendungen eines Versicherungsun-ternehmens im Zusammenhang mit der Beratung nicht annehmen darf, § 34d Abs. 2

S. 3 und 4 GewO. Die Versicherungsvermittlungsverordnung vom 17. Dezember 2018

(BGBI. 1 S. 2483; 2019 1 S. 411) flankiert dies, indem sie für den Versiicherungsberater sowohl eine besondere Aufzeichnungspflicht hinsichtlich seiner Einnahmen als auch

die Möglichkeit einer anlassbezogenen Prüfung der Einhaltung des Verbots aus § 34d Abs. 2 S. 4 GewO vorsieht, vgl. §§ 22 Abs. 3, 23 Abs. 2 S. 1 VersVermV.

Das Provisionsannahmeverbot bildet den entscheidenden Unterschied zum Versiche-rungsvermittler (BT-Drs. 16/1935, S. 21). 1ndem der Gesetzgeber dieses Verbot dem Versicherungsberater auferlegt, soll seine Unabhängigkeit gewährleistet werden. Der Verkehr verbindet – wie der Gesetzgeber selbst dabei zugrunde legt – mit der Unab-hängigkeit, dass die Tätigkeit nicht provisionsgestützt ist. Diese Vorstellung erzeugt für erhebliche Teile des Verkehrs auch die Bezeichnung als unabhängig für einen Versi-cherungsmakler. Werden gleichwohl finanzielle Vorteile gewährt, vermittelt die Angabe einen unrichtigen Eindruck (LG Köln Urteil vom 6.3.2025, Az. 33 0 219/24).

Eine Erfüllung der Pflicht gemäß§ 15 Abs. 1 Nr. 5 -8 VersVermV, den Interessenten beim Erstkontakt über die Art der Vergütung und ihre Zahlweise zu informieren, kommt angesichts der nach dem Antrag auf die Webseite ausgerichteten konkreten Verlet-zungsform zu spät. Die auf den persönlichen Erstkontakt in der gutachterlichen Stel-lungnahme (KJR 11) gestützte Distanz zum Versicherungsberater kommt deshalb nicht zum Tragen.

  • Aus der sogenannten Sachwalter-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.05.1985 – IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, NJW 1985, 2595) ergibt sich nichts anderes. Danach kann der Versicherungsmakler angesichts der ihn treffenden umfas-senden Pflichten für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen ,,treuhänderähnlicher Sachwalter” bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Aus der Sachwalter-Entscheidung ergibt sich indessen für den Versicherungsmakler nicht auch die Befugnis, sich als

,,unabhängig” zu bezeichnen. Dass die Mittiertätigkeit beim Zustandekommen des Ver-sicherungsvertrages verschiedene Intensität aufweisen und auch unabhängiger Art sein kann, bezieht sich auf die Einschaltung Dritter generell und nicht auf den Versicherungsmakler.

Auch die Entscheidung des OLG München (Urteil vom 16.1.2020- 29 U 1834/18) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass eine Unabhängigkeit nur anzunehmen ist, wenn keine Beteiligung des Versicherers an dem Maklerbüro besteht, steht ohne weiteres damit in Einklang, dass keine finanziellen Vorteile gewährt werden dürfen.

  • Die ausgelöste Fehlvorstellung, die Beklagte sei als „unabhängiger Versicherungsmak-ler” frei von finanziellen Vorteilen von Versicherern und erbringe ihrer Dienstleistung oh-ne die Möglichkeit eines entsprechenden Eigeninteresses, ist auch erheblich. Verbrau-cher treten dem Angebot der Beklagten in der Vorstellung näher, eine unabhängige Vermittlung zu erhalten, obwohl diese Unabhängigkeit – im Unterschied zu dem für sie kostenpflichtigen Angebot eines Versicherungsberaters – nicht gewährleistet ist. In der Versicherungsbranche wird der Unabhängigkeit und dem Ausschluss von Eigeninter-essen sowie der sich daraus ergebenden Objektivität eine besondere Wertigkeit beige-messen (vgl. OLG Köln Urt. v. 7.2.2024 – 6 U 103/23, BeckRS 2024, 46804). So hat auch der Geschäftsführer der Beklagten vor dem Landgericht aufgezeigt, dass seiner Erfahrung nach viele Kunden auf die Homepage der Beklagten durch den Suchbegriff ,,Unabhängigkeit” kämen. Die Beklagte nimmt zu Unrecht das darauf beruhende be-sondere Vertrauen in Anspruch, indem sie sich als unabhängig geriert. Dies ist geeig-net, den – vom Antrag erfassten – Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
  • Der Kläger kann ferner von der Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG verlangen es zu unterlassen, im Rahmen geschäftli-cher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu behaupten, für die spezifische Produkt-oder Tarifberatung sowie Vermittlung und Abschluss der Versicherung empfehle die Verbraucherzentrale Chemnitz meist an einen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie Risk007 weiter, wie in der Anlage K 4 dargestellt. Angegriffen wird damit die konkrete Verletzungsform, die ihren besonderen Anziehungseffekt dadurch entfal tet, dass „meist an einen unabhängigen Versicherungsmakler in Chemnitz wie RISK00T’ verwiesen werde. Dass dies der Fall war, lässt sich indessen nicht feststel-len, so dass die Werbung irreführend ist, § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG.

Der erstinstanzlich unter Beweis gestellte Vortrag, Verbraucher seien nach einer Erst-beratung bei der Verbraucherzentrale an „einen Versicherungsmakler” empfohlen wor-den (Klageerwiderung Seite 4, eA 43 LG und Schriftsatz vom 05.11.2024, Seite 17, eA 100 LG}, kann weder belegen, dass „meist” ein Versicherungsmakler empfohlen wur-de, noch dass dies in Chemnitz die Beklagte gewesen sei. Die Benennung der Beklag-ten in der angegriffenen Werbung bezieht ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher darauf, die Verbraucherzentrale habe die Beklagte auch namentlich emp-fohlen. Dies wird indessen von der vorgetragenen Empfehlung eines Versicherungs-maklers ebenso wenig erfasst wie von den auf der Website des Klägers veröffentlichen Hinweisen (vgl. Anlagen KJR 1, KJR 2 sowie KJR 9 und KJR 10). Der Vortrag der Beklagten (Berufungserwiderung S. 13; eA 64), im laufe der vergangenen Jahre hätten sich mehrfach Kunden an die Beklagte gewandt, welche von der Verbraucherzentrale an die Beklagte empfohlen worden seien, untersetzt nicht die angegriffene Angabe, dass meist die Beklagte empfohlen wurde, und kann auf der Grundlage des dortigen Beweisantritts einer einzigen Zeugin nicht nachgewiesen werden.

Die so erzeugte falsche Vorstellung einer regelmäßigen, auf die Beklagte fokussierten Empfehlung ist für die Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise auch über-aus relevant, da den Aussagen der Verbraucherzentralen weithin großes Gewicht bei-gemessen wird.

  • Schließlich kann der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 UWG

i. V. m. Nr. 1O Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG, jedenfalls §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG verlangen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern damit zu werben, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ab-geschlossen zu haben und dies als einen großen Mehrwert und doppeltes Netz darzu-stellen, wie in der Anlage K 5 dargestellt.

Nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG stellt die Darstellung gesetzlicher Ver-pflichtungen als Besonderheit eines Angebots eine irreführende geschäftliche Handlung dar, sei es durch die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Dabei handelt es sich um ein „PerseNerbot” als Sonderfall der Werbung mit Selbstverständlichkeiten, hier mit einem Vorteil (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., §5Rn.1.115).

Soweit die Beklagte auf ihrer Website angibt, sie habe eine Vermögens-Haftpflichtver-sicherung für den Fall, dass sie aufgrund einer Fehleinschätzung zu Schadensersatz verpflichtet ist, abgeschlossen, begegnet dies für sich genommen noch keinen Beden-ken, sondern kann als Information für sich stehen. Da die Beklagte aber hinzusetzt, dieser Umstand stelle für ihre Kunden „einen großen Mehrwert und im schlimmsten Fall ein doppeltes Netz” dar, handelt sie unlauter. Denn sie stellt eine Selbstverständ-lichkeit als eine Besonderheit dar. Die Selbstverständlichkeit ergibt sich daraus, dass Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 5 S. 1 Nr. 3 GewO i.V.m. §§ 11, 12 VersVermV zur Erteilung der Erlaubnis der IHK eine Versicherung nachweisen müssen, die De-ckung für die sich aus der gewerblichen Tätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden gewährt. Die vermeintliche Besonderheit ergibt sich aus der For-mulierung, die für den durchschnittlich verständigen Verbraucher den Eindruck er-zeugt, hier – im Vergleich zu anderen Versicherungsvermittlern – besonders abgesi-chert zu sein, was aber nicht der Fall ist.

Ob die von der Beklagten abgeschlossene Versicherung die in § 12 Abs. 2 S. 1 Vers-VermV vorgesehene Mindestversicherungssumme (1.276.000 Euro für jeden Versiche-rungsfall und 1.919.000 Euro für alle Versicherungsfälle eines Jahres) übertrifft, ist un-erheblich. Die Beklagte macht dies bei ihrer werbenden Angabe gerade nicht deutlich, sondern verweist schlicht auf den Umstand, sie habe eine Vermögens-Haftpflichtversi-cherung abgeschlossen. Der Verbraucher kann anhand dieser Angabe nicht erkennen, dass hier eine über die gesetzlichen Anforderungen hinausreichende Versicherung vor-liegt, sondern muss davon ausgehen, dass der Umstand des Vorliegens einer Vermö-gens-Haftpflichtversicherung an sich eine im Vergleich zu anderen Versicherungsmak-lern besondere Absicherung darstellt, die ihn im Schadensfall schützt.

Im Übrigen folgt der Senat der Argumentation der Beklagten nicht, wonach sich aus den von ihr dargelegten höheren Versicherungssummen (Anlage KJR 3) ein besonde-rer Mehrwert oder doppeltes Netz für den einzelnen Kunden überhaupt ergeben könnte. Die von der Beklagten abgeschlossene Versicherung übertraf zwar im Zeitpunkt der Abmahnung vom 8.2.2024 die in§ 12 Abs. 2 S. 1 VersVermV vorgesehene Mindestver-sicherungssumme. Bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 13.11.2024 stellte sich dies jedoch anders dar. § 12 Abs. 2 S. 2 VersVermV regelt, dass für die Anpassung dieser Mindestversicherungssummen der technische Regulierungsstandard gemäß Artikel 10 Absatz 7 der Richtlinie (EU) 2016/97 des Eu-ropäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsver-trieb (Neufassung) (ABI. L 26 vom 2.2.2016, S. 19; L 222 vom 17.8.2016, S. 114) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist. Maßgeblich war im Zeitpunkt der mündli-chen Verhandlung vor dem Landgericht die Delegierte Verordnung (EU) 2024/896 der Kommission vom 5. Dezember 2023 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Anpassung der Grundbeträge in Euro für die Berufshaftpflichtversicherung und die finanzielle Leistungsfähigkeit von Versicherungsvermittlern, Rückversicherungsvermitt-lern und Versicherungsvermittlern in Nebentätigkeit, die mit Wirkung ab dem 9.10.2024 in Art. 1 Nr. 1 erhöhte Mindestversicherungssummen in Höhe von 1.564.610 Euro für jeden Schadensfall und 2.315.610 Euro für alle Schadensfälle eines Jahres vorsieht.

  • Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche, durch die Verletzungshandlung indi-zierte Wiederholungsgefahr wurde von der Beklagten nicht durch Abgabe der Unterlas-sungserklärung ausgeräumt.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO. Für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung. Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Die entscheidungserheblichen rechtlichen Probleme haben durch die zitierten Entscheidungen eine Klärung gefunden. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Streitwert wurde gemäß § 51 Abs. 3 GKG festgesetzt.

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Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht
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