OLG Nürnberg: Auch ein vorformulierter Beratungsverzicht kann wirksam sein!

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Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht

Veröffentlicht am:

12. März 2025
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Ein Beratungsverzicht nach § 6 Abs. 3 VVG kann vorformuliert sein und muss nicht zwingend auf einem gesonderten Dokument erklärt werden.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 09. Januar 2025 (Az.: 8 U 1684/24) entschieden, dass ein Beratungsverzicht nach § 6 Abs. 3 VVG auch auf vorformulierten Formularen erfolgen darf, sofern er optisch deutlich hervorgehoben und eigenhändig unterschrieben ist. Ein gesondertes Dokument ist nicht erforderlich, um wirksam auf eine Beratung und ggf. auch auf die Dokumentation dieser Beratung zu verzichten.

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger nach einem etwa 45-minütigen telefonischen Beratungsgespräch mit dem Versicherer ein Antragsformular für eine fondsgebundene Basis-Rentenversicherung (Rürup-Rente) erhalten. Darin war die Option „Ich verzichte auf die Beratung“ bereits vorgedruckt und angekreuzt. Der Kläger unterschrieb diesen Beratungsverzicht eigenhändig. Später machte er Schadensersatz geltend, da er der Auffassung war, nicht ausreichend beraten worden zu sein und die Folgen seines Beratungsverzichts nicht richtig verstanden zu haben. Im Streit standen etwa 30.000 €. Die Versicherung verteidigte sich im Wesentlichen damit, dass der Kläger wirksam auf die Beratung verzichtet habe und daher denklogisch keinen Schadensersatzanspruch wegen einer fehlerhaften Beratung geltend machen könne.

Dieser Argumentation folgte das OLG Nürnberg. Das Gericht stellte klar, dass eine wirksame Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht unbedingt auf einem separaten Dokument erfolgen muss. Vielmehr sei es ausreichend, wenn die Erklärung deutlich sichtbar gestaltet und vom Verbraucher bewusst und eigenhändig unterschrieben werde. Auch eine vorformulierte Erklärung sei zulässig, sofern der Verbraucher deutlich auf mögliche nachteilige Folgen hingewiesen werde. Laut dem OLG Nürnberg ist die Verzichtserklärung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, sodass eine sogenannte AGB-Kontrolle auch mit Blick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wären solche Formularklauseln unwirksam, die mit dem wesentlichen Grundgedanken der verbraucherschützenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) unvereinbar wären. Jedenfalls bei einem standardmäßigen Beratungs- und/oder Dokumentationsverzicht läge dieser Gedanke sehr nahe.

Jedoch wies das Gericht zugleich darauf hin, dass ein Beratungsverzicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit unwirksam sein kann, wenn im Einzelfall ein klares Verhandlungsungleichgewicht zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer besteht oder der Versicherer einen offensichtlichen, besonderen Beratungsbedarf hätte erkennen müssen. Allerdings ist dafür der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet, wozu der Kläger in dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Sachverhalt allerdings nichts Substanzielles vortrug.

„Ich schaue sehr kritisch auf diese Entscheidung des OLG Nürnberg, weil der Fall im Wege eines Beschlusses nach § 522 ZPO entschieden und damit die Revision zum Bundesgerichtshof zumindest erschwert wurde. Die Tragweite dieser Entscheidung ist meines Erachtens so weitgehend, dass eine höchstrichterliche Überprüfung durch den BGH mehr als wünschenswert gewesen wäre. Denn diese Entscheidung lässt sich so auch auf den Beratungsverzicht für Vermittler gemäß § 61 Abs. 2 VVG übertragen und hat damit Auswirkungen auf die gesamte Branche“, so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing von Wirth Rechtsanwälte in Berlin. „Gerade bei komplexen und erklärungsbedürftigen Produkten wie der fondsgebundenen Basis-Rentenversicherung besteht doch ein hoher Verbraucherschutz und mit Sicherheit sehr häufig auch ein hoher Beratungsbedarf. Die fehlende Möglichkeit einer höchstrichterlichen Klärung erschwert nun aber weiter eine einheitliche Rechtsprechung und lässt Verbraucher, Vermittler und Versicherer mit Rechtsunsicherheiten zurück.“

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