Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Juli 2021 (Az.: IV ZR 153/20) befasst sich mit der Frage, wann genau der Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung eintritt und ab welchem Zeitpunkt Leistungen fällig werden. Dieses Urteil zur Berufsunfähigkeit ist besonders wichtig, weil es die Rechte von Versicherungsnehmern klarstellt, wenn es um längere Krankheitsphasen und den Übergang zur Berufsunfähigkeit geht.
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Worum ging es in dem Fall?
In dem vom BGH am 14. Juli 2021 (Az.: IV ZR 153/20) entschiedenen Fall ging es um die Auslegung einer Klausel aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die strittige Klausel lautete:
„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung […] 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.“
Der Streitpunkt war, ob die Berufsunfähigkeit rückwirkend ab Beginn des sechsten Monats der Berufsunfähigkeit oder erst mit deren Ablauf gilt oder ob der Versicherungsfall bereits mit der Prognose einer sechsmonatigen Unfähigkeit eintritt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)
Der BGH entschied, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit erst dann vorliegt, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
1. Der Versicherte ist tatsächlich sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen, seinen Beruf auszuüben.
2. Es ist bereits zu Beginn der Erkrankung sicher abzusehen, dass der Versicherte voraussichtlich für mindestens sechs Monate nicht arbeiten kann.
Diese Differenzierung war entscheidend, da sie den Zeitpunkt der Leistungsauszahlung beeinflusst. Der Kläger hatte nämlich eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen, die eine Nachversicherungsgarantie enthielt. Aufgrund der Geburt seines Kindes machte er von diesem Recht genau in den vereinbarten 6 Monaten Gebrauch. Nach einem Unfall stellte sich heraus, dass er berufsunfähig war. Der Streitpunkt war, ab welchem Zeitpunkt die Berufsunfähigkeit vorlag und ob die Versicherung auch für den höheren Versicherungsschutz aus der Nachversicherung zahlen musste.
Die Versicherung argumentierte damit, dass die Berufsunfähigkeit bereits mit dem Unfall eingetreten war, sodass die zu diesem Zeitpunkt vereinbarte Rente zu zahlen ist. Der Kläger hingegen argumentierte damit, dass die Berufsunfähigkeit erst mit Ablauf der vereinbarten sechs Monate eingetreten war, und damit die zu diesem Zeitpunkt vereinbarte, höhere Rente galt.
Das Gericht hob hervor, dass die von der Berufsunfähigkeitsversicherung verwendeten Klauseln in den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) genau zu prüfen sind und der Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit je nach Formulierung unterschiedlich sein kann.
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Bedeutung des Urteils für Versicherungsnehmer?
Klarheit über den Beginn einer Berufsunfähigkeit
Das Urteil stellt noch mal klar, dass es in der Berufsunfähigkeitsversicherung grundsätzlich und regelmäßig zwei Versicherungsfälle geben kann. Zum einen kann es sein, dass eine schlechte Prognose gestellt wird und bereits bei beispielsweise einem Unfall klar ist, dass der Versicherungsnehmer die kommenden sechs Monate definitiv nicht wird arbeiten können.
Das ist aber eher selten der Fall. Zum anderen gibt es daher Versicherungsfall der sogenannten vermuteten Berufsunfähigkeit, wenn der Versicherungsnehmer über einen Zeitraum von mindestens sechs Monate außer Stande war, mehr als 50 % zu arbeiten. Ist jedoch wie im vorliegenden Fall vereinbart, dass Berufsunfähigkeit erst mit Ablauf der sechs Monate anzunehmen wäre und keine Rückwirkung vereinbart ist, dann kann der Versicherungsnehmer auch erst ab diesem Zeitpunkt die Rentenleistung beanspruchen. In diesem besonderen Fall war das die durch die Nachversicherungsgarantie erhöhte Rentenleistung.
Dies bedeutet: Wenn der Versicherte sechs Monate ununterbrochen krank war, tritt der Versicherungsfall mit Ablauf der 6 Monate ein, es sei denn, die Berufsunfähigkeitsversicherung hat in ihren Versicherungsbedingungen etwas anderes vereinbart. Wenn von Beginn an sicher ist, dass der Versicherte mindestens sechs Monate nicht arbeiten kann, gilt der Versicherungsfall sofort.
Unterschiedliche Auslegung von Klauseln
Versicherungsnehmer müssen die Bedingungen ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung genau kennen. Manche Versicherungen legen den Eintritt der Berufsunfähigkeit unterschiedlich aus, was zu Streitigkeiten führen kann. Hier kann letztlich nur ein Fachanwalt für Versicherungsrecht helfen.
Handlungsempfehlungen für Versicherungsnehmer
Sorgfältige Prüfung der Versicherungsbedingungen
Versicherungsnehmer sollten die Vertragsbedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung genau durchlesen und bei Unklarheiten rechtlichen Rat einholen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Definition des Versicherungsfalls und die Regelung zur Berufsunfähigkeit.
Frühzeitige Meldung bei drohender Berufsunfähigkeit
Wenn absehbar ist, dass eine Erkrankung länger als sechs Monate dauern könnte, sollten Versicherte frühzeitig handeln und ihren Versicherer informieren. Es kann hilfreich sein, bereits zu diesem Zeitpunkt ein ärztliches Gutachten einzuholen.
Eigene Gutachten einholen
Wenn der Versicherer eine Berufsunfähigkeit feststellt, mit der der Versicherte nicht einverstanden ist, sollte dieser ein unabhängiges medizinisches Gutachten einholen. Dieses Gutachten kann im Streitfall eine wichtige Rolle spielen.
Juristische Unterstützung bei Streitigkeiten
Bei Auseinandersetzungen mit der Berufsunfähigkeitsversicherung lohnt es sich, einen Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzuzuziehen. Dieser kann die Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung der Ansprüche erheblich erhöhen.
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Fazit – Wann gilt eine Berufsunfähigkeit
Das BGH-Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung bringt mehr Klarheit für Versicherungsnehmer, wann der Versicherungsfall eintritt und wann die Leistungen enden. Versicherte sollten sich der Unterschiede zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit bewusst sein und sicherstellen, dass sie im Fall einer längeren Erkrankung rechtzeitig handeln.
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