Ein Arzt zeigt einem Patienten das Gutachten zur Berufsunfähigkeit

Der Umgang mit Gutachtern von Berufsunfähigkeitsversicherungen: Was Versicherungsnehmer wissen sollten

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) ist eine wichtige Versicherung, weil sie die Verluste ausgleicht, die entstehen, wenn Versicherungsnehmer aufgrund von einer Krankheit oder einem Unfall nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Um die Berufsunfähigkeit zu bestätigen und entsprechende Leistungen zu gewähren, greifen Versicherungen häufig auf ärztliche Gutachten und medizinische Prüfungen zurück. Versicherungsnehmer sollten sich des Prozesses, der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten, Gutachten anzufechten oder unabhängige Prüfungen zu verlangen, bewusst sein.

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Warum setzen Versicherungen ärztliche Gutachten ein?

Versicherungsgesellschaften sind darauf bedacht, berechtigte Ansprüche zu erfüllen, aber auch unberechtigte zu vermeiden. Zwar stehen die Interessen der Versicherungsnehmer im Vordergrund. Allerdings sind Versicherungen aufsichtsrechtlich auch verpflichtet, das Versicherungskollektiv zu schützen und dürfen daher schon von Gesetzes wegen keine unberechtigten Ansprüche anerkennen. In der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die medizinische Beurteilung daher entscheidend, da die Feststellung der Berufsunfähigkeit oftmals eine medizinische, komplexe und individuell unterschiedliche Frage ist. Je nachdem, welche körperlichen oder seelischen Dispositionen bestehen, hat dies Auswirkung auf die berufliche Leistungsfähigkeit und in der Folge auch auf die Leistungsvoraussetzungen eines Rentenanspruchs in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

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Die Versicherung ist somit schon aufsichtsrechtlich verpflichtet, den Gesundheitszustand des Versicherten sorgfältig zu prüfen, um festzustellen, ob die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit erfüllt sind. Die Beurteilung erfolgt anhand von medizinischen Gutachten, die von der Versicherung selbst in Auftrag gegeben werden. Diese Gutachten bewerten, ob die Versicherungsbedingungen – in der Regel eine mindestens 50-prozentige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf – erfüllt sind.

Der Prozess des ärztlichen Gutachtens: Ablauf und Zusammenarbeit

Sobald der Versicherungsnehmer einen Antrag auf Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung stellt, veranlasst die Versicherung in der Regel eine medizinische Begutachtung.

Der Ablauf ist wie folgt:

  1. Erhebung der Gesundheitsdaten: Der Versicherungsnehmer muss umfangreiche Angaben zu seinem Gesundheitszustand, zu bisherigen Behandlungen und Diagnosen machen. Oftmals werden dazu Fragebögen verwendet, die sehr detailliert sein können.
  2. Anforderung von Befunden und Gutachten: Die Versicherung fordert dann in der Regel Berichte von behandelnden Ärzten oder Spezialisten an. Diese Daten sollen die medizinischen Gründe für die Berufsunfähigkeit belegen.
  3. Medizinische Begutachtung durch Gutachter der Versicherung: Zusätzlich wird häufig ein unabhängiger medizinischer Gutachter durch die Versicherung beauftragt, der den Versicherungsnehmer untersucht und ein Gutachten erstellt. Diese Gutachter sind in der Regel auf Arbeits- oder Berufsunfähigkeitsbewertungen spezialisiert und beurteilen die gesundheitlichen Einschränkungen anhand der Versicherungsbedingungen. Das unabhängig schreiben wir deswegen kursiv, weil diese Gutachter in der Regel öfter von der Berufsunfähigkeitsversicherung beauftragt werden und daher durchaus auch von Aufträgen wirtschaftlich abhängig. Das kann sich durchaus auf das Ergebnis einer Begutachtung auswirken.
  4. Erstellung des Gutachtens: Das ärztliche Gutachten ist meist sehr umfassend und basiert auf der Krankengeschichte, den Untersuchungsergebnissen und den von den Ärzten gelieferten Daten. Es wird dabei nicht nur der Gesundheitszustand im Detail beschrieben, sondern auch eine Einschätzung gegeben, ob und in welchem Umfang der Versicherungsnehmer noch in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben. Und an dieser Stelle fangen häufig schon die Probleme an. Denn entgegen der allgemeinen Annahme bewertet ein Gutachter gerade nicht die Leistungsvoraussetzungen, sondern soll zunächst nur Auskunft zu den körperlichen oder seelischen Dispositionen geben. Ob und in welchem Umfang die Leistungsvoraussetzungen vorliegen, muss der Sachbearbeiter in der Versicherung entscheiden, der aber häufig allzu gerne einfach die rechtlich ohnehin unzulässigen Wertungen des Sachverständigen übernimmt.
  5. Entscheidung der Versicherung: Basierend auf diesem Gutachten entscheidet die Versicherung, ob die Leistungen gezahlt werden oder nicht. Sollte die Versicherung den Antrag ablehnen, beruft sie sich dabei oft auf die Erkenntnisse aus diesem Gutachten. Mitunter kommt es aber auch vor, dass trotz eines positiven Gutachtens die Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen ablehnt oder ein neues, dann negatives Gutachten erstellt. Spätestens in diesem Fall sollten sich Versicherungsnehmer durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht vertreten lassen.

Rechtliche Aspekte und die Möglichkeit, Gutachten anzufechten

Ein wichtiger Aspekt in diesem Prozess ist die Neutralität des Gutachtens. Da die Gutachter von der Versicherung beauftragt werden, besteht häufig der Verdacht, dass sie zugunsten der Versicherung arbeiten könnten. Versicherungsnehmer sollten daher genau wissen, welche rechtlichen Möglichkeiten sie haben, wenn sie das Gefühl haben, dass das Gutachten ungerecht oder unvollständig ist.

  1. Recht auf eine unabhängige Begutachtung: Versicherungsnehmer haben das Recht, ein eigenes Gutachten durch einen unabhängigen Arzt oder Sachverständigen erstellen zu lassen. Diese unabhängigen Gutachten können dann als Beweismittel verwendet werden, um die Entscheidung der Versicherung zu hinterfragen. Die Kosten dafür müssen Versicherungsnehmer jedoch in der Regel zunächst selbst tragen.
  2. Zweifel am Gutachten der Versicherung: Wenn der Versicherungsnehmer Zweifel an der Richtigkeit oder Neutralität des Gutachtens hat, kann er Einspruch erheben und eine erneute Überprüfung verlangen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wesentliche medizinische Fakten außer Acht lässt.
  3. Gerichtliche Überprüfung: Kommt es zu einer Auseinandersetzung, weil die Versicherung die Leistungen verweigert, kann der Versicherungsnehmer rechtliche Schritte einleiten. In einem Gerichtsverfahren wird das Gutachten der Versicherung häufig einer kritischen Überprüfung unterzogen. Gerichte ordnen dann häufig ein neutrales Gerichtsgutachten an, um die medizinische Situation objektiv bewerten zu lassen. Eigene, von Versicherungsnehmern oder Versicherungen verwendete Gutachten sind dann „nur“ noch sogenannter qualifizierter Parteivortrag.
  4. Berücksichtigung von Langzeitwirkungen: Besonders bei psychischen Erkrankungen oder chronischen Beschwerden kann es vorkommen, dass der Zustand des Versicherten schwankt oder sich erst langfristig verschlechtert. Das Gutachten der Versicherung sollte auch diesen Aspekt berücksichtigen, und der Versicherungsnehmer kann darauf bestehen, dass solche Entwicklungen in die Bewertung einfließen.
  5. Arztwahl und Befangenheit: Der Versicherungsnehmer hat das Recht, einen Gutachter wegen Befangenheit abzulehnen, insbesondere wenn Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Bei der Auswahl des Gutachters kann es sinnvoll sein, einen Arzt zu fordern, der nachweislich über Fachwissen im Bereich der Berufsunfähigkeit verfügt.

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Wichtige Tipps für den Umgang mit Versicherungs-Gutachtern

  1. Gründliche Vorbereitung: Versicherungsnehmer sollten sich gut auf den Termin mit dem Gutachter vorbereiten und alle relevanten Unterlagen, wie Arztberichte und Behandlungshistorien, zur Verfügung stellen.
  2. Korrekte Angaben machen: Es ist wichtig, alle Fragen des Gutachters ehrlich und vollständig zu beantworten. Falsche oder unvollständige Angaben können später gegen den Versicherungsnehmer verwendet werden.
  3. Eigene Dokumentation führen: Versicherungsnehmer sollten alle eigenen ärztlichen Unterlagen, Diagnosen und Befunde dokumentieren und bereitstellen. So können sie sicherstellen, dass alle relevanten Informationen in das Gutachten einfließen.
  4. Beratung durch Experten: Es kann sinnvoll sein, frühzeitig einen Fachanwalt für Versicherungsrecht oder einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen, wenn Zweifel an der Objektivität des Gutachtens bestehen oder wenn die Versicherung die Leistungen ablehnt.

Mit einem Fachanwalt gelingt der erfolgreiche Umgang mit Gutachtern der Berufsunfähigkeitsversicherung

Der Umgang mit Gutachtern der Berufsunfähigkeitsversicherung erfordert ein hohes Maß an Vorbereitung und Achtsamkeit. Da das Gutachten oft den ausschlaggebenden Faktor für die Leistungserbringung der Versicherung darstellt, sollten Versicherungsnehmer den Prozess aktiv begleiten und gegebenenfalls eine unabhängige Begutachtung oder rechtliche Schritte in Betracht ziehen. Eine umfassende Kenntnis der eigenen Rechte und die frühzeitige Hinzuziehung von Experten kann dabei helfen, die eigenen Ansprüche erfolgreich durchzusetzen und Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Tobias Strübing

Fachanwalt für Versicherungsrecht
Ihr Ansprechpartner rund um alle Pressemeldungen zum Versicherungsrecht: Tobias Strübing