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Die Insolvenz der Element Versicherung AG

Am 17. Januar 2025 gab die Element Versicherung AG mit Sitz in Berlin überraschend bekannt, dass die BaFin einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Die Nachricht traf die Versicherungsbranche unerwartet und löste Unsicherheiten bei Kunden, Geschäftspartnern und Investoren aus. Im Folgenden soll die Situation aus rechtlicher Sicht beleuchtet werden, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf Versicherungsnehmer sowie Versicherungsvermittler und die Besonderheiten im Versicherungsrecht.

1. Der Hintergrund der Insolvenz

Die Element Versicherung AG war als innovativer Anbieter im Bereich der digitalen Versicherungsdienstleistungen bekannt. Als sogenannter „White-Label-Versicherer“ entwickelte das Unternehmen maßgeschneiderte Versicherungsprodukte für Dritte und positionierte sich erfolgreich in einem stark wachsenden Markt. Dennoch konnte das Geschäftsmodell offenbar nicht die nötige wirtschaftliche Stabilität gewährleisten. Medienberichte sprechen von Finanzierungsproblemen, möglicherweise in Verbindung mit einem unzureichenden Risikomanagement.

2. Rechtlicher Rahmen für die Insolvenz eines Versicherungsunternehmens

Die Insolvenz eines Versicherungsunternehmens unterliegt besonderen gesetzlichen Regelungen, da Versicherer durch ihre Verträge in hohem Maße mit der Öffentlichkeit interagieren. Hierbei spielen folgende Normen und Institutionen eine zentrale Rolle:

a) Insolvenzordnung (InsO)

Wie bei jedem Unternehmen wird die Insolvenz der Element Versicherung AG grundsätzlich nach der Insolvenzordnung abgewickelt. Ziel des Verfahrens ist es, die Gläubiger des Unternehmens gleichmäßig zu befriedigen und gegebenenfalls den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

b) Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

Für Versicherungsunternehmen gelten jedoch spezifische Vorgaben des VAG. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) spielt hier eine entscheidende Rolle. Sobald ein Versicherer droht zahlungsunfähig zu werden, kann die BaFin einschreiten. Mögliche Maßnahmen umfassen:

  • Anordnung eines Vertragsabschlussverbots: Neue Versicherungsverträge dürfen nicht mehr abgeschlossen werden.
  • Einstellung von Auszahlungen: Die Auszahlung von Leistungen an Versicherungsnehmer kann vorübergehend untersagt werden.
  • Einsetzung eines Insolvenzverwalters: Ein erfahrener Verwalter wird beauftragt, die Vermögenswerte des Unternehmens zu sichern und die Interessen der Gläubiger zu wahren.

Diese Maßnahmen hat die BaFin zwischenzeitlich ergriffen. Nähere Informationen finden Sie dazu auf der Webseite der BaFin:

https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Versicherung/QuA_ELEMENT/Element_node.html

c) Schutz der Versicherungsnehmer

Der Schutz der Versicherungsnehmer ist ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. Um diesen sicherzustellen, greift insbesondere der Entschädigungsfonds Protektor Lebensversicherungs-AG für Lebensversicherer. In der Sachversicherung gibt es keinen vergleichbaren Fonds, weshalb das Risiko hier höher sein kann.

3. Auswirkungen auf Versicherungsnehmer

Für die Kunden der Element Versicherung AG ergeben sich aus der Insolvenz mehrere rechtliche und praktische Konsequenzen:

a) Fortbestand von Versicherungsverträgen

Im Insolvenzverfahren gilt zunächst der Grundsatz, dass bestehende Versicherungsverträge weiterhin wirksam bleiben. Versicherungsnehmer sind weiterhin zur Prämienzahlung verpflichtet, solange der Vertrag nicht gekündigt wird. Ebenso ist die Element Versicherung AG grundsätzlich verpflichtet, Schäden zu regulieren.

b) Einschränkungen bei Schadensregulierungen

Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Insolvenz zu erheblichen Verzögerungen bei der Schadensregulierung führt. Kunden müssen damit rechnen, dass Auszahlungen erst nach Zustimmung des Insolvenzverwalters und dann ggf. auch nur anteilig erfolgen können.

c) Kündigungsrechte

Ob Sonderkündigungsrecht besteht, sollte im Einzelfall geprüft werden. In jedem Fall Enden Sachversicherungen nach Ablauf eines Monats nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

4. Handlungsempfehlungen für Versicherungsnehmer

Versicherungsnehmer der Element Versicherung AG sollten folgende Schritte in Betracht ziehen:

  •   Prüfung der Vertragsunterlagen: Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertrag kennen.
  • Frühzeitige Kommunikation: Nehmen Sie Kontakt mit der Element Versicherung AG oder Ihren Versicherungsvermittler auf, um aktuelle Informationen zur Regulierung von Schäden zu erhalten bzw. zu weiteren Möglichkeiten zu erhalten.
  • Wechsel des Anbieters: Vergleichen Sie alternative Versicherungsangebote und prüfen Sie die Möglichkeit eines Anbieterwechsels. Sprechen Sie dazu auch Ihren Versicherungsvermittler an.
  • Beratung durch Experten: Ziehen Sie bei Unsicherheiten einen Rechtsanwalt oder einen Versicherungsberater hinzu, um Ihre Ansprüche rechtlich abzusichern

5. Handlungsempfehlungen für Vermittler

  • Information der Kunden: Informieren Sie betroffene Kunden frühzeitig über die Insolvenz der Element Versicherung AG und deren mögliche Auswirkungen auf bestehende Verträge.
  • Vermeidung von Panik: Klären Sie Ihre Kunden sachlich und ruhig über die nächsten Schritte auf, um Panik oder übereilte Entscheidungen zu vermeiden.
  • Vertragsanalyse: Prüfen Sie, ob die bestehenden Verträge Ihrer Kunden durch die Insolvenz gefährdet sind. Dies betrifft insbesondere die Regulierung von Schäden und die Fortsetzung der Deckung.
  • Empfehlung von Alternativen: Beraten Sie Kunden bei Bedarf zu alternativen Versicherern und unterstützen Sie bei einem möglichen Anbieterwechsel.
  • Beratungsdokumentation: Dokumentieren Sie alle Gespräche und Empfehlungen sorgfältig, um spätere Haftungsansprüche zu vermeiden.

Zusammenarbeit mit der Element Versicherung AG und der BaFin

  • Kontaktaufnahme: Bleiben Sie mit der Element Versicherung AG in Kontakt, um aktuelle Informationen zur Schadensregulierung und zu möglichen Anweisungen der BaFin zu erhalten.
  • Weiterleitung von Informationen: Kommunizieren Sie wichtige Updates der BaFin oder des Insolvenzverwalters zeitnah an Ihre Kunden.

Strategische Überlegungen für die Zukunft

Die Insolvenz der Element Versicherung AG zeigt, dass Vermittler bei der Auswahl der Versicherer für ihre Kunden verstärkt auf finanzielle Stabilität und Risikomanagement achten sollten. Langfristig können folgende Maßnahmen dazu beitragen, das Vertrauen der Kunden zu stärken:

  • Regelmäßige Überprüfung von Versicherern: Achten Sie auf die Bonität und das Risikoprofil der Anbieter, die Sie Ihren Kunden empfehlen.
  • Breites Portfolio: Stellen Sie sicher, dass Sie eine ausreichende Auswahl an Alternativen bieten können, um flexibel auf Krisen zu reagieren.
  • Schulungen und Weiterbildung: Bleiben Sie über rechtliche und wirtschaftliche Entwicklungen in der Versicherungsbranche auf dem Laufenden, um Ihren Kunden stets fundierte Beratung bieten zu können.

Fazit für Vermittler

Die Insolvenz der Element Versicherung AG ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, Ihre Kompetenz und Professionalität unter Beweis zu stellen. Proaktive Kommunikation, umfassende Beratung und rechtssichere Dokumentation sind essenziell, um das Vertrauen Ihrer Kunden zu bewahren und Haftungsrisiken zu minimieren. Gleichzeitig sollten Sie diese Situation als Anlass nehmen, Ihre eigenen Prozesse zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.

Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Betroffene sollten sich bei konkreten Fragen an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden.

Weitergehende Informationen finden Sie in unseren FAQ:

FAQ zur Insolvenz der ELEMENT Insurance AG für Versicherungsmakler

1. Allgemeines zur Insolvenz

Am 8. Januar 2025 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über die ELEMENT Insurance AG eröffnet. Ziel ist die Sicherung des Vermögens und die Prüfung einer Übertragung der Verträge auf einen solventen Versicherer. Der endgültige Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht noch aus. Bis dahin bleibt der vorläufige Insolvenzverwalter Friedemann Schade dafür verantwortlich, den Betrieb zu sichern.
Am 8. Januar 2025 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über die ELEMENT Insurance AG eröffnet. Ziel ist die Sicherung des Vermögens und die Prüfung einer Übertragung der Verträge auf einen solventen Versicherer. Der endgültige Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht noch aus. Bis dahin bleibt der vorläufige Insolvenzverwalter Friedemann Schade dafür verantwortlich, den Betrieb zu sichern.
ELEMENT meldete am 20. Dezember 2024 eine Überschuldung, nachdem der wichtigste Rückversicherer sein Engagement beendet hatte. Dies führte zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und einem Antrag der BaFin auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Betroffen sind Sach- und Unfallversicherungen wie Wohngebäude-, Unfall-, Fahrrad-, Haftpflicht- und Tierkrankenversicherungen. Lebensversicherungen sind nicht betroffen, da ELEMENT keine Lizenz für diese Bereiche hatte. Insbesondere Policen von Partnerunternehmen wie AutoProtect, asspario und Panda, bei denen ELEMENT als Risikotäger auftritt, sind betroffen.

2. Auswirkungen des vorläufigen Insolvenzverfahrens

Die Versicherungsverträge bleiben bestehen, jedoch sind Schadenzahlungen ausgesetzt. Während der Prüfung möglicher Bestandsübertragungen können Versicherungsnehmer keine neuen Ansprüche geltend machen.
Gemeldete Schäden werden vom Insolvenzverwalter geprüft, aber erst nach Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens bearbeitet. Die Regulierung erfolgt, wenn über das Sicherungsvermögen eine Deckung sichergestellt ist. Versicherten steht ein vorrangiger Anspruch zu, aber eine anteilige Schadensregulierung ist wahrscheinlich.
Das vorläufige Insolvenzverfahren gemäß der Insolvenzordnung (InsO) dient dazu, das Vermögen des Unternehmens zu sichern und Gläubigerinteressen zu wahren. Versicherer dürfen währenddessen keine neuen Verträge abschließen oder bestehende Verträge erweitern.

3. Auswirkungen eines endgültigen Insolvenzverfahrens

Nach §16 VVG enden alle Versicherungsverträge einen Monat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch. Der Insolvenzverwalter wird die Gläubiger über Fristen und das Verfahren zur Anmeldung von Forderungen informieren. Kunden können anteilige Prämien zurückfordern. Noch ist nicht bekannt, ob und ggf. wann das endgültige Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Makler sollten sicherstellen, dass sie ihre Kunden rechtzeitig über Alternativen informieren. Bei automatischem Vertragsende besteht die Gefahr, dass Kunden ohne Versicherungsschutz verbleiben. Im Raum steht in jedem Einzelfall die Überlegung, lieber eine Doppelversicherung zu haben, als am Ende keinen hinreichenden Versicherungsschutz. Die Dokumentation der Beratung wird zur Vermeidung von Haftungsrisiken dringend empfohlen.
Das Sicherungsvermögen wird gemäß §315 VAG vorrangig für die Ansprüche der Versicherungsnehmer verwendet. Falls es nicht ausreicht, erfolgt eine quotale Schadensregulierung. Makler sollten ihre Kunden auf diese Unsicherheit hinweisen.
Eine fristlose Kündigung der betroffenen Verträge kann unter bestimmten Umständen sinnvoll sein, ist jedoch nicht immer die beste Lösung. Die Insolvenz allein gibt kein Sonderkündigungsrecht. Makler sollten die folgenden Aspekte beachten:


  • Prüfung der Alternativen: Kunden sollten vor einer Kündigung eine Ersatzversicherung abgeschlossen haben, um Versicherungslücken zu vermeiden. Doppelversicherungen sind vorübergehend zulässig und oft vorzuziehen.
  • Kündigungsrechte: Bei Tarifen mit täglichem Kündigungsrecht (z. B. einigen Asspario-Policen) kann eine fristlose Kündigung in Betracht gezogen werden.
  • Einzelfallentscheidung: Fristlose Kündigungen sollten individuell geprüft und nur bei unzureichendem Schutz des bestehenden Vertrags erwogen werden. Makler sollten alle Beratungsschritte dokumentieren.

4. Empfehlungen der BaFin

Die BaFin fordert Versicherungsmakler auf, betroffene Kunden aktiv zu informieren. Kunden sollen ihre Vertragsunterlagen prüfen und bei Bedarf Alternativen suchen. Wichtige Policen wie Haftpflicht- oder Wohngebäudeversicherungen sollten umgehend ersetzt werden. Makler sollten sicherstellen, dass Kunden eine vorläufige Deckungszusage erhalten.
Die BaFin überwacht das Insolvenzverfahren in Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter. Sie prüft Möglichkeiten zur Bestandsübertragung auf solvente Versicherer. Die BaFin betont, dass Kundenansprüche vorrangig behandelt werden.

5. Dynamik des Geschehens

Die Insolvenz von ELEMENT hat weitreichende Konsequenzen für Kunden und Makler. Die Unsicherheit über die Zukunft des Unternehmens erfordert proaktives Handeln. Verzögerungen können dazu führen, dass Kunden ohne Versicherungsschutz bleiben.
Sollte die Übertragung der Bestände scheitern, endet der Versicherungsschutz automatisch. Kunden müssen neue Versicherungen abschließen. Makler sollten auf eine dynamische Entwicklung vorbereitet sein und rechtzeitig mit Kunden kommunizieren.

6. Empfehlungen für Makler

  • Vertragsprüfung: Identifizieren Sie betroffene Policen in Ihrem Bestand.
  • Beratung: Bieten Sie Ihren Kunden zeitnah Alternativen an und dokumentieren Sie die Beratung umfassend.
  • Vorläufige Deckung: Organisieren Sie eine vorläufige Deckungszusage bei alternativen Anbietern.
Dokumentieren Sie alle Schritte der Beratung und Kommunikation mit den Kunden. Klären Sie die Risiken und stellen Sie sicher, dass Kunden rechtzeitig auf Alternativen hingewiesen werden.
Makler sind verpflichtet, ihre Kunden über die Einschränkungen des Versicherungsschutzes zu informieren. Die unterlassene Aufklärung kann zu Haftungsansprüchen führen. Regelmäßige Updates zur Entwicklung des Insolvenzverfahrens sind empfehlenswert.

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