Ein Beratungsgespräch mit einem Anwalt

OLG Stuttgart: Kürzung des Rentenfaktors in fondsgebundener Rentenversicherung unwirksam

Versicherer dürfen Rentenfaktor nicht einseitig absenken

Mit Urteil vom 30. Januar 2025 (Az. 2 U 143/23) hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine wichtige Entscheidung für Versicherungsnehmer getroffen. Es erklärte eine Vertragsklausel für unwirksam, die es einer Versicherung erlaubte, den Rentenfaktor in fondsgebundenen Rentenversicherungen einseitig zu senken, ohne eine spätere Rückerhöhung im Falle einer wirtschaftlichen Verbesserung vorzusehen.

Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf Versicherungsnehmer, Versicherungsmakler und die gesamte Branche. Betroffene Verbraucher könnten nun Ansprüche gegen ihre Versicherer geltend machen, während Versicherungsmakler ihre Beratung zur Rentenversicherung überdenken müssen. Zudem könnte das Urteil zu einer grundlegenden Neubewertung von Klauseln in Altersvorsorgeverträgen führen.

Doch was genau bedeutet das Urteil des OLG Stuttgart? Wer ist betroffen, und welche rechtlichen Konsequenzen könnte es nach sich ziehen?

Sind Sie betroffen? Falls Ihr Versicherer eine Kürzung Ihres Rentenfaktors vorgenommen hat, sollten Sie Ihre Vertragsbedingungen zur Rentenversicherung rechtlich überprüfen lassen.

Wirth Rechtsanwälte unterstützen Sie als Fachanwälte für Versicherungsrecht bei der Durchsetzung Ihrer Versicherungsansprüche gegenüber der Versicheung. Kontaktieren Sie uns!

Hintergrund des Falls: Die umstrittene Rentenfaktor-Klausel? 

Im Zentrum des Urteils steht eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Versicherungsgesellschaft, die es ihr ermöglichte, den Rentenfaktor unter bestimmten Umständen einseitig anzupassen.

Der Rentenfaktor ist ein zentraler Bestandteil fondsgebundener Rentenversicherungen und gibt an, wie viel monatliche Rente pro 10.000 Euro Policenwert ausgezahlt wird. Eine Kürzung des Rentenfaktors kann dazu führen, dass die Auszahlungen der Rentenversicherung für Versicherungsnehmer erheblich geringer ausfallen als ursprünglich erwartet.

Die Klausel des Versicherers lautete:

„Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 a Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können.“

Diese Regelung bedeutete, dass der Versicherer im Fall einer gestiegenen Lebenserwartung oder gesunkenen Kapitalmarktrenditen die Rente des Kunden senken konnte, ohne eine spätere Erhöhung der Rente im Fall verbesserter wirtschaftlicher Bedingungen vorzusehen.

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen diese Klausel, weil sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige und gegen das Transparenzgebot sowie § 307 BGB und § 163 VVG verstoße.

Das Urteil des OLG Stuttgart: Warum ist die Klausel unwirksam?

Das OLG Stuttgart hob die Entscheidung der ersten Instanz (LG Stuttgart) auf und erklärte die Klausel der Rentenversicherung für unwirksam. Die zentralen Begründungen des Gerichts lauteten:

Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 BGB): Die Klausel war für den Versicherungsnehmer nicht klar und verständlich formuliert. Sie ließ nicht erkennen, wie genau sich eine Rentenkürzung berechnete oder ob und wann eine Rückanpassung der Rente möglich wäre.

Einseitige Benachteiligung des Versicherungsnehmers: Während der Versicherer das Recht hatte, die Rentenhöhe nach unten anzupassen, gab es keine Regelung für eine spätere Erhöhung der Rente, sollte sich die wirtschaftliche Lage verbessern.

Widerspruch zu § 163 VVG: Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erlaubt zwar eine Anpassung der Versicherungsprämien oder Leistungen, doch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zudem muss der Versicherungsnehmer ein Wahlrecht haben, ob er eine Prämienerhöhung akzeptiert oder eine Leistungskürzung in Kauf nimmt. Diese Klausel der Rentenversicherung wich jedoch einseitig zugunsten des Versicherers von dieser gesetzlichen Regelung ab.

Fehlende Möglichkeit der Gegensteuerung: Anders als etwa bei Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung gab es für Versicherungsnehmer keine Möglichkeit, durch freiwillige Zusatzbeiträge die Rentenkürzung auszugleichen.

Das Gericht urteilte daher, dass die Klausel den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist.

Gerechtigkeit ist unser Antrieb

Kreativ. Kämpferisch. kompetent
Ihre Versicherung zahlt nicht? Sie brauchen Unterstützung im Versicherungsrecht? Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine E-Mail oder nutzen Sie unser Kontaktformular. Wir(th) helfen!
Jetzt Termin vereinbaren

Welche Auswirkung hat das Urteil für Versicherungsnehmer?

Dieses Urteil des OLG Stuttgart ist ein großer Erfolg für Verbraucher, da es sie vor einseitigen Vertragsänderungen schützt. Versicherungsnehmer, die bereits von einer Rentenfaktor-Kürzung betroffen sind, sollten jetzt aktiv werden.

  • Eigene Verträge prüfen: Enthält Ihr Vertrag eine Klausel zur Anpassung des Rentenfaktors?
  • Nachweisen, ob eine Rentenfaktor-Kürzung bereits erfolgt ist: Falls ja, besteht möglicherweise ein Anspruch auf eine Anpassung oder Rückzahlung.
  • Rechtliche Beratung einholen: Lassen Sie von einem Fachanwalt prüfen, ob ein rechtliches Vorgehen gegen die Versicherung und die Kürzung des Rentenfaktors sinnvoll ist.

Welche Konsequenzen ergeben sich für Versicherungsmakler?

Das Urteil hat direkte Auswirkungen auf Versicherungsmakler, die Kunden bei Altersvorsorgeverträgen beraten.

  • Makler sollten bestehende Verträge genau prüfen. Falls Kunden Rentenversicherungen mit ähnlichen Klauseln zur Kürzung des Rentenfaktors besitzen, sollte auf mögliche rechtliche Risiken hingewiesen werden.
  • Neuverträge sollten genau geprüft werden. Bei neuen Altersvorsorgeverträgen muss darauf geachtet werden, dass keine einseitigen Anpassungsklauseln zur Kürzung der Rente enthalten sind.
  • Makler dürfen keine unzulässige Rechtsberatung leisten. Stattdessen sollten sie Kunden auf das Urteil des OLG Stuttgart hinweisen und gegebenenfalls eine rechtliche Prüfung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht empfehlen.

Das Urteil könnte zudem eine erhöhte Haftung für Makler mit sich bringen, wenn Kunden in der Vergangenheit nicht über die Risiken solcher Klauseln zur Kürzung des Rentenfaktors aufgeklärt wurden.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Versicherungsbranche?

Das Urteil des OLG Stuttgart zur Kürzung des Rentenfaktors könnte weitreichende Konsequenzen für die Versicherungsbranche haben.

  • Viele Versicherer verwenden ähnliche Klauseln. Falls der BGH das Urteil bestätigt, könnten zahlreiche Klauseln in Rentenversicherungen überarbeitet oder für unwirksam erklärt werden.
  • Mögliche Rückforderungswelle: Versicherungsnehmer, deren Rentenfaktor in der Vergangenheit gesenkt wurde, könnten rechtliche Schritte einleiten, um eine Anpassung oder Rückzahlung durchzusetzen.
  • Erhöhte rechtliche Kontrolle: Gerichte könnten künftig Klauseln in Versicherungsverträgen strenger prüfen, insbesondere bei einseitigen Anpassungsklauseln.

Wie geht es weiter? Revision beim BGH eingelegt

Die unterlegene Versicherungsgesellschaft hat Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt (Az. IV ZR 34/25). Der BGH wird sich nun mit der Frage befassen, ob das OLG Stuttgart zu Recht eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers festgestellt hat.

Falls der BGH das Urteil bestätigt, wäre das ein richtungsweisendes Signal für die gesamte Branche. Falls der BGH jedoch zugunsten der Versicherung entscheidet, könnten ähnliche Klauseln zur Kürzung des Rentenfaktors auch in Zukunft Bestand haben.

Fazit: Ein Meilenstein im Verbraucherschutz

Das Urteil des OLG Stuttgart stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern und könnte dazu führen, dass tausende von Verträgen zur Rentenversicherung überprüft und angepasst werden müssen. Versicherungsnehmer sollten sich jetzt aktiv mit ihren Verträgen zur Altersvorsorge beschäftigen, während Makler eine verantwortungsvolle Beratung sicherstellen müssen.

Haben Sie Fragen zu Ihrer Rentenversicherung? Kontaktieren Sie uns – wir helfen Ihnen gerne weiter!

Sind Sie betroffen? Lassen Sie Ihren Vertrag jetzt prüfen! 

Tobias Strübing

Fachanwalt für Versicherungsrecht
Ihr Ansprechpartner rund um alle Pressemeldungen zum Versicherungsrecht: Tobias Strübing