Ein Versicherungsmakler schüttelt einem Anwalt die Hand

Teil 2: Schadensersatzansprüche gegen Versicherungsvermittler – typische Haftungsfallen

Versicherungsmakler tragen eine hohe Verantwortung – sie sollen komplexe Produkte verständlich erklären, individuelle Risiken erkennen und passende Lösungen empfehlen. Doch in der Praxis kommt es immer wieder zu Fehlern, die nicht nur den Kunden, sondern auch den Makler teuer zu stehen kommen können. Haftungsansprüche gegenüber Versicherungsvermittlern sind die Folge – sei es wegen mangelnder Beratung, organisatorischer Versäumnisse oder fehlender Dokumentation. Wir beleuchten typische Pflichtverletzungen, die zu solchen Forderungen führen. Wie Sie als Makler diese Haftungsfallen erkennen und vermeiden können.

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Versicherungsmakler: Häufige Fehler und Haftungsfallen 

Welche Fehler führen in der Praxis am häufigsten zu Haftungsansprüchen? Im Folgenden einige typische Pflichtverletzungen von Versicherungsmaklern – und warum sie kritisch sind.

Unvollständige Bedarfsermittlung 

Der Makler versäumt es, den tatsächlichen Versicherungsbedarf des Kunden zu ermitteln.  

Beispiel 1: Ein Kunde hat Kinder, aber der Makler fragt nicht nach Hinterbliebenenabsicherung – eine wichtige Information für Lebensversicherung oder Risikolebensversicherung. Bleiben bestimmte Risiken unerkannt und unversichert, kann dies später als Beratungsfehler gewertet werden. 

Beispiel 2: Ein Kunde ist Ofenbauer und bietet als Nebenleistung auch Fliesenlegearbeiten an. Der Makler vergisst zur erfragen, ob diese auch als Hauptleistung angeboten und bei der Betriebshaftpflichtversicherung zu berücksichtigen sind. 

Fehlerhafte oder unzureichende Beratung  

Dies ist die größte Haftungsquelle. Darunter fällt jede Empfehlung, die nicht zum Bedarf des Kunden passt, objektiv falsche Auskünfte oder das Verschweigen wichtiger Umstände. Z.B. empfiehlt der Makler einem Existenzgründer eine zu niedrige Betriebshaftpflichtsumme – im Schadenfall reicht die Deckung nicht aus. Oder der Makler klärt nicht über Ausschlüsse im Vertrag auf, was zu falschen Erwartungen des Kunden führt.

Falschberatung kann viele Gesichter haben, gemein ist aber: Der Kunde behauptet, er hätte bei korrekter Beratung einen anderen, besseren Versicherungsschutz erhalten und so keinen Schaden erlitten.  

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Unterlassene Empfehlung wesentlicher Versicherungen:

Muss ein Makler von sich aus auf bestimmte Versicherungen hinweisen? Hier kommt es auf die Umstände an. Grundsätzlich ist die Entscheidung, ob z. B. eine Risikolebensversicherung abgeschlossen wird, subjektiv vom Kunden abhängig. Ein Makler muss nicht jedem Kunden kategorisch eine Risikolebensversicherung empfehlen.

Aber: In besonderen Situationen – etwa wenn objektiv eine extreme Gefährdung besteht oder eine Deckung absolut üblich und notwendig ist – kann eine Pflicht bestehen, von sich aus auf eine Versicherung hinzuwirken. Wenn der Makler solche klar notwendigen Absicherungen komplett unerwähnt lässt, riskiert er Haftung.

Beispiel: Der Hauptverdiener einer Familie hat keinerlei Todesfallabsicherung trotz großer finanzieller Verpflichtungen – hier sollte der Makler zumindest deutlich über eine Risikolebensversicherung gesprochen haben.

Haftungsrisiken aufgrund von Dokumentationsmängeln

Eine fehlende oder lückenhafte Beratungsdokumentation ist eine gefährliche Pflichtverletzung. Sie führt zwar nicht per se zu Schadenersatzverpflichtung, wie das OLG Dresden entschieden hat. Sie stellt aber einen Gesetzesverstoß dar und schwächt auch massiv die Position des Maklers vor Gericht. Ohne Dokumentation steht Aussage gegen Aussage und selbst wenn das Gericht keiner Aussage den Vorzug gibt, dann kann die umgekehrte Beweislast zu einem negativen Ergebnis führen. Denn eine fehlende oder unzureichende Dokumentation kann dazu führen, dass der Makler seine richtige Beratung beweisen muss und nicht der Kunde die fehlerhafte Beratung. Kann der Makler das nicht, dann bleibt er beweisfällig und verliert. Selbst wenn die Beratung inhaltlich korrekt war, fehlt dem Makler ohne Dokumentation der Nachweis. Dokumentationsmängel gehen daher Hand in Hand mit den meisten Beratungsfehler-Vorwürfen. 

Fristversäumnisse und organisatorische Fehler

Makler haften auch für Versäumnisse im administrativen Bereich. Beispielsweise vergisst der Makler, einen Versicherungsantrag rechtzeitig weiterzuleiten oder einen vom Kunden gewünschten Vertragswechsel fristgerecht vorzunehmen. Dadurch besteht kein Versicherungsschutz oder ein Vertrag verlängert sich unnötig – dem Kunden entsteht ein Schaden.

Ebenso kritisch: Wenn ein Kunde dem Makler einen Schadensfall meldet und der Makler versäumt, diesen fristgerecht dem Versicherer anzuzeigen, kann der Versicherer die Regulierung verweigern. In all diesen Fällen liegt eine Pflichtverletzung des Maklers vor (Verstoß gegen organisatorische Sorgfaltspflichten), die zu Schadensersatz führen kann. 

Nachlässige Vertragsbetreuung 

Kunden vertrauen darauf, dass ihr Makler sie auch nach Abschluss betreut. Änderungen in der Lebenssituation (Heirat, Erwerb einer Immobilie, neue berufliche Risiken etc.) erfordern oft eine Anpassung des Versicherungsschutzes. Übersieht der Makler solche Änderungen oder reagiert nicht auf Hinweise des Kunden, kann er seine Betreuungs- und Hinweispflicht verletzen.

Beispiel: Der Kunde teilt dem Makler mit, dass er teure neue Maschinen angeschafft hat, aber der Makler passt die Inhaltsversicherung nicht an. Kommt es zum Schaden, reicht die Versicherungssumme nicht – hier haftet der Makler für die Deckungslücke. 

Dies sind nur einige Beispiele. Allgemein lässt sich sagen: Immer wenn der Makler von den Erwartungen abweicht, die ein durchschnittlicher, sorgfältiger Versicherungsmakler in der Situation erfüllen würde, droht der Vorwurf einer Pflichtverletzung. In vielen Fällen kumulieren mehrere Versäumnisse – z. B. unzureichende Bedarfsermittlung und fehlende Dokumentation – was die Position des Maklers weiter schwächt. 

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Aktuelle und relevante Urteile zur Maklerhaftung 

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren zahlreiche Aspekte der Maklerhaftung konkretisiert. Für Versicherungsmakler ist es wichtig, die Tendenzen der Gerichte zu kennen. Hier ein Überblick über einige aktuelle und aufschlussreiche Urteile: 

OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.03.2023 (Az. 12 U 268/22) – Haftung beim PKV-Wechsel:

In diesem Fall hatte ein Makler einer Kundin den Wechsel der privaten Krankenversicherung (PKV) empfohlen. Die Kundin kündigte ihre alte Krankenversicherung, inklusive Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeld-Optionen. Später stellte sich heraus, dass der neue PKV-Tarif keine vergleichbaren Leistungen enthielt und die Kundin dadurch deutlich schlechter gestellt war.

Sie warf dem Makler vor, nicht auf den Wegfall dieser Leistungen hingewiesen zu haben, und verlangte Schadenersatz in Form einer Quasideckung (so gestellt zu werden, als wäre die alte Versicherung nie gekündigt worden). Das OLG Karlsruhe gab der Kundin Recht. Die Richter betonten, dass beim Austausch von Personenversicherungen besonders hohe Beratungspflichten bestehen – der Makler müsse einen geordneten Überblick über Leistungsunterschiede verschaffen.

Hier habe der Makler pflichtwidrig nicht aufgeklärt, insbesondere da keine Beratungsdokumentation vorlag. Mangels Dokumentation musste der Makler beweisen, dass er die Kundin auf den fehlenden Schutz hingewiesen hatte – diesen Beweis konnte er nicht erbringen.

Ergebnis: Der Makler haftet und muss der Kundin z. B. das Krankentagegeld ersetzen, das sie wegen des Wechsels nun nicht mehr hat.

Kommentar: Dieses Urteil zeigt eindrücklich, dass bei Beratungsfehlern im Zusammenhang mit Vertragswechseln eine erhebliche Haftungsgefahr besteht, vor allem wenn Leistungen wegfallen. Makler sollten bei Umschichtungen sehr sorgfältig sämtliche Vor- und Nachteile dokumentieren und offenlegen. 

OLG Dresden, Urteil vom 26.04.2024 (Az. 3 U 79/23) – Keine generelle Pflicht zur Risikolebensversicherung

In einem vielbeachteten Fall forderte eine Witwe 500.000 € Schadensersatz von einem Makler, weil dieser ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung geraten habe. Das Landgericht hatte zunächst überwiegend zugunsten der Witwe entschieden. Das OLG Dresden hob dieses Urteil jedoch auf und wies die Klage ab.

Die Begründung: Ob eine Risikolebensversicherung abgeschlossen wird, ist im Privatkundengeschäft eine subjektive Entscheidung des Kunden und keine Frage objektiver Notwendigkeit. Ein Makler ist daher nicht verpflichtet, jedem Kunden kategorisch eine Risikolebensversicherung zu empfehlen. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei besonderer Gefährdungslage oder absolut üblichen Deckungen, müsse der Makler von sich aus auf eine solche Absicherung drängen – im konkreten Fall lagen solche Umstände nicht vor.

Obwohl der Mann Hauptverdiener war, gab es keine hohen Kreditschulden und die Ehefrau war akademisch gebildet und konnte selbst Einkommen erzielen. Zudem fehlte zwar die Beratungsdokumentation, was der Kundin Beweiserleichterungen verschaffte, aber keine vollständige Beweislastumkehr. Letztlich konnte die Witwe nicht nachweisen, dass der Makler pflichtwidrig gehandelt hat – insbesondere blieb unklar, ob der Makler das Thema angesprochen hatte und der Kunde es vielleicht selbst abgelehnt hat.

Das OLG betonte, dass eine automatische Haftung des Maklers ohne konkreten Nachweis einer Falschberatung zu weit ginge, da sonst eine uferlose Verantwortung entstünde.

Kommentar: Dieses Urteil setzt Maklerhaftung Grenzen und stellt klar, dass Kunden auch eine eigene Verantwortung für ihre Absicherungsentscheidungen tragen. Allerdings unterstreicht der Fall zugleich die enorme Bedeutung der Beratungsdokumentation. Wäre dokumentiert gewesen, dass der Kunde die Lebensversicherung bewusst abgelehnt hat, wäre der Streit vermutlich gar nicht entstanden. Fachanwälte raten Maklern daher dringend, auch die Ablehnung oder das Abblocken von empfohlenem Schutz durch den Kunden genau zu protokollieren. 

BGH-Rechtsprechung zur Dokumentation (2014) – Beweislastumkehr bei Verstoß gegen Dokumentationspflicht:

Ein grundlegendes Urteil des BGH aus 2014 (Az. IV ZR 245/13) hat die Bedeutung der Dokumentation weiter zementiert. Fehlt die Beratungsdokumentation oder ist sie grob unzureichend, wird zugunsten des Kunden vermutet, dass der Makler seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen ist.

In diesem vom BGH entschiedenen Fall ging es zwar um einen Versicherungsvertreter, doch der Grundsatz ist verallgemeinerungsfähig: Die vom Gesetz verlangte Dokumentation soll den Kunden in die Lage versetzen, den Hergang der Beratung nachzuvollziehen und zu beweisen. Ohne dieses Beweismittel wird die Last faktisch dem Vermittler auferlegt. Für Makler bedeutet dies in der Praxis: Ein lückenhaftes oder fehlendes Beratungsprotokoll kann im Prozess fast schon einem Geständnis gleichkommen, weil Gerichte dann eher dem Kunden glauben. Dieses BGH-Urteil gilt als Mahnung, die Dokumentationspflicht sehr ernst zu nehmen.

Fazit aus der Rechtssprechung

Gerichte verurteilen Makler vor allem dann, wenn klare Versäumnisse vorliegen (wie im PKV-Wechsel-Fall) und der kausale Schaden für den Kunden nachweisbar ist. Hingegen scheitern Klagen oftmals, wenn nicht eindeutig bewiesen werden kann, dass der Makler falsch beraten hat oder wenn der Schaden auch bei korrektem Verhalten eingetreten wäre.

Insgesamt lässt sich aber erkennen: Die Latte für die Anforderungen an Makler liegt hoch, und eine gute Dokumentation sowie das Einhalten der Beratungspflichten sind der beste Schutz vor Gericht. 

Als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei im Versicherungs- und Handelsvertreterrecht unterstützen wir Sie dabei, Ihre rechte erfolgreich durchzusetzen. Nehmen Sie Kontakt auf – wir prüfen Ihren Fall und zeigen Ihnen die besten Optionen auf! 

Tobias Strübing

Fachanwalt für Versicherungsrecht
Ihr Ansprechpartner rund um alle Pressemeldungen zum Versicherungsrecht: Tobias Strübing