Versicherungsmakler übernehmen im Versicherungsvertrieb eine zentrale Rolle. Anders als gebundene Vertreter vermitteln sie in der Regel Produkte unterschiedlicher Anbieter und stehen dabei rechtlich auf der Seite des Versicherungsnehmers. Ihre Stellung als Sachwalter ihrer Kunden bringt spezifische Pflichten mit sich – insbesondere im Hinblick auf Beratung, Produktauswahl und Dokumentation.
Diese Pflichten sind gesetzlich verankert und durch die Rechtsprechung konkretisiert worden. Sie dienen dem Verbraucherschutz und tragen zur Qualität und Rechtssicherheit der Vermittlung bei. Zugleich kann die Pflichtenzuweisung im Einzelfall haftungsrechtliche Relevanz entfalten – etwa dann, wenn ein Versicherungsvertrag nicht zum gewünschten oder erwarteten Schutz führt.
In der Beratungspraxis zeigt sich jedoch, dass Haftungsthemen im Verhältnis zwischen Maklern, Vertrieben und Produktgebern nicht immer klar geregelt sind. Insbesondere dort, wo Makler in größere Vertriebsstrukturen eingebunden werden, bleiben Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten mitunter unklar. Kommt es in solchen Konstellationen zu Fehlern bei der Vermittlung, Beratung oder Dokumentation, stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche gegen den Makler geltend gemacht werden können – und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gelten.
Dieser Ratgeber gibt einen Überblick darüber, wann Versicherungsmakler tatsächlich haften, auf welcher Grundlage Schadensersatzansprüche erhoben werden können und wie sich Produktgeber, Vertriebe oder Kooperationspartner rechtlich absichern können.
Wirth Rechtsanwälte unterstützen Sie als Fachanwälte für das Versicherungs- und Vertriebsrecht bei der Durchsetzung Ihrer Versicherungsansprüche. Nehmen Sie Kontakt auf!
Versicherungsmakler als Sachwalter – rechtliche Einordnung
Nach § 59 Abs. 3 VVG ist der Versicherungsmakler rechtlich nicht an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden, sondern steht im Lager des Versicherungsnehmers. Seine Hauptpflicht besteht in der Vermittlung eines geeigneten Versicherungsschutzes auf Grundlage einer sorgfältigen Bedarfsermittlung.
Diese Rolle wird durch die ständige Rechtsprechung weiter konkretisiert: Der Makler hat eine umfassende Marktanalyse durchzuführen, die individuellen Risiken des Kunden zu erfassen und das passende Produkt zu identifizieren. In der Praxis sind diese Pflichten nicht immer vollständig zu erfüllen – insbesondere bei komplexen Risiken im gewerblichen Bereich oder bei spezialisierten Produkten wie Berufsunfähigkeitsversicherungen oder privater Krankenversicherung.
Dennoch gilt: Wer als Makler tätig wird, übernimmt eine erhebliche Verantwortung – nicht nur gegenüber dem Kunden, sondern mittelbar auch gegenüber Versicherern, Pools oder anderen Marktteilnehmern, die durch sein Verhalten in Regress genommen werden können.
Beratungspflicht, Produktauswahl und Haftung
Die Grundlage möglicher Schadensersatzansprüche ist regelmäßig eine Pflichtverletzung im Kontext der Beratung, Auswahl oder Vermittlung eines Versicherungsprodukts. Diese Pflichten ergeben sich primär aus dem Maklervertrag, aber auch aus den gesetzlichen Vorgaben der §§ 60 ff. VVG.
Konkret bedeutet das: Der Makler muss den Versicherungsbedarf seines Kunden systematisch ermitteln, verschiedene Angebote vergleichen, geeignete Produkte empfehlen und den gesamten Beratungsverlauf dokumentieren.
Eine Haftung kann beispielsweise entstehen, wenn:
- der Versicherungsschutz unzureichend ist (z. B. Unterversicherung, Deckungslücken)
- der Kunde über bestimmte Risiken oder Ausschlüsse nicht aufgeklärt wurde
- wesentliche Informationen zum Produkt nicht oder falsch vermittelt wurden
- die Produktauswahl nicht auf nachvollziehbaren Kriterien basiert
- die Beratungsdokumentation fehlt oder fehlerhaft ist
Im Ergebnis haftet der Makler auf Schadensersatz, wenn durch sein Verhalten ein Vermögensschaden beim Kunden eintritt – etwa weil ein Schaden nicht gedeckt ist oder eine Leistung ausbleibt, die bei richtiger Vermittlung versichert gewesen wäre.
Schadensersatzansprüche in der Praxis
In der praktischen Durchsetzung solcher Ansprüche ergeben sich regelmäßig zwei Konstellationen: Entweder macht der Kunde direkt gegenüber dem Makler Schadensersatz geltend, oder aber der Versicherer bzw. Produktgeber nimmt den Makler im Regress, weil er infolge einer fehlerhaften Vermittlung selbst Zahlungen leisten musste.
Typische Fälle sind etwa:
- Rückabwicklung von Verträgen wegen unzureichender Aufklärung
- Streit über fehlenden Versicherungsschutz (z. B. nicht versicherte Risiken in der Gebäudeversicherung)
- Verspätete Schadenmeldungen infolge unzureichender Kundeninformation
- Regressforderungen durch Versicherer, etwa bei Verstoß gegen Vermittlungsrichtlinien
Besonders relevant sind solche Ansprüche bei komplexen Versicherungssparten oder gewerblichen Risiken, wo die Produktauswahl besonders sorgfältig erfolgen muss. Aber auch in der privaten Krankenversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung oder bei fondsgebundenen Produkten sehen wir regelmäßig Haftungskonstellationen – vor allem dann, wenn über Gesundheitsfragen, Leistungsausschlüsse oder Vertragsbedingungen nicht transparent aufgeklärt wurde.
Die Erfahrung zeigt: Je größer der finanzielle Schaden, desto eher wird nach einem verantwortlichen Makler gesucht – und desto wichtiger sind eine saubere Dokumentation und eine rechtssichere Vertragsgestaltung.
Wir stehen Ihnen mit maßgeschneiderter Rechtsberatung zur Seite
Beweislast und Dokumentationspflichten
Im Streitfall stellt sich die Frage, wer was beweisen muss. Nach § 61 VVG trägt grundsätzlich der Versicherer bzw. Anspruchsteller die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Maklers. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die nach § 62 VVG vorgeschriebene Beratungsdokumentation fehlt oder lückenhaft ist. In diesem Fall kommt es zu einer Beweislastumkehr: Der Makler muss dann nachweisen, dass er ordnungsgemäß beraten hat – was ohne schriftliche Unterlagen regelmäßig nicht gelingt.
Für Versicherer, Pools oder Vertriebe bedeutet das: Wer mit Maklern zusammenarbeitet, sollte auf die Einhaltung gesetzlicher Dokumentationspflichten bestehen und entsprechende Nachweise einfordern – insbesondere bei größeren Verträgen oder komplexen Risiken.
Auch interne Prozesse zur Qualitätssicherung, standardisierte Beratungsprotokolle und Schulungen können dabei helfen, Haftungsrisiken zu minimieren. Denn letztlich geht es nicht nur um rechtliche Absicherung, sondern auch um das Vertrauen in die Vertriebspartner – und damit um Reputations- und Geschäftsrisiken.
Handlungsempfehlungen für Produktgeber und Vertriebe
Vertriebsorganisationen, Pools und Versicherer, die mit selbstständigen Maklern zusammenarbeiten, sollten Haftungsrisiken nicht unterschätzen. Zwar ist der Makler rechtlich unabhängig, doch durch vertragliche Bindungen, Schulungsmaßnahmen oder Vertriebsvereinbarungen entstehen häufig rechtliche Schnittstellen – und damit auch Mitverantwortung.
Empfehlenswert sind daher:
- Maklerverträge mit klaren Regelungen zur Haftung, Freistellung und Dokumentation
- Regelmäßige Schulungen zu Beratungspflichten, Dokumentationsanforderungen und Produktinformationen
- Interne Kontrollmechanismen zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben
- Vertragsprüfungen durch juristische Fachstellen bei größeren Kooperationen
Zudem sollten Versicherer prüfen, ob bestimmte Beratungs- oder Vermittlungsvorgaben auch haftungsrechtlich tragfähig sind – etwa dann, wenn sie durch interne Produktvorgaben oder Zielgruppenrichtlinien vorgegeben werden.
Haftung nicht unterschätzen – Verträge professionell gestalten
Schadensersatzansprüche gegen Versicherungsmakler sind kein theoretisches Risiko, sondern fester Bestandteil der vertrieblichen Realität. Spätestens bei größeren Schäden, komplexen Verträgen oder anspruchsvollen Kunden wird die Frage nach der Haftung gestellt – und die Rolle des Maklers kritisch hinterfragt.
Für Produktgeber, Pools und Vertriebe ist es daher unerlässlich, nicht nur auf gute Zusammenarbeit zu setzen, sondern auch rechtlich klare Strukturen zu schaffen. Gut gestaltete Maklerverträge, überprüfbare Prozesse und geschulte Partner senken das Risiko erheblich – und schützen vor unangenehmen Regressforderungen oder rechtlichen Auseinandersetzungen.
Gerne prüfen wir Ihre bestehenden Maklerverträge, analysieren Ihre Haftungsrisiken oder unterstützen Sie bei der Gestaltung rechtssicherer Kooperationsmodelle. Als Kanzlei mit Schwerpunkt im Versicherungsvertriebsrecht kennen wir die Anforderungen der Praxis – und schaffen rechtliche Klarheit.