Beim Kündigen eines Handelsvertretervertrags für Versicherungsvermittler sind die gesetzlichen Grundlagen im Handelsgesetzbuch (HGB) entscheidend. Handelsvertreter (z. B. Versicherungsvertreter) sind selbstständige Vermittler, für die besondere Regeln gelten. In diesem ersten Teil werden die gesetzlichen Grundlagen, zulässige Kündigungsarten und wichtige Formvorschriften erläutert. Außerdem gehen wir auf die Kündigungsfristen nach HGB sowie typische Fehler ein, die es zu vermeiden gilt.
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Ordentliche Kündigung und Kündigungsfristen nach § 89 HGB
Handelsvertreterverträge können befristet oder unbefristet sein. Befristete Verträge für Handelsvertreter enden mit Ablauf der Zeit automatisch, während unbefristete Verträge durch Kündigung beendet werden müssen. Die ordentliche Kündigung (fristgerechte Kündigung) eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Handelsvertretervertrags ist jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich, sofern die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen eingehalten werden. Diese Fristen sind in § 89 HGB gestaffelt und richten sich nach der Dauer der Vertragsbeziehung:
• 1 Monat Kündigungsfrist im ersten Vertragsjahr
• 2 Monate Kündigungsfrist im zweiten Vertragsjahr
• 3 Monate Kündigungsfrist im dritten bis fünften Vertragsjahr
• 6 Monate Kündigungsfrist ab einer Vertragsdauer von mehr als fünf Jahren
Wichtig: Die Kündigung des Handelsvertretervertrags kann nur zum Ende eines Kalendermonats erfolgen (falls nichts Abweichendes vereinbart wurde). Vertraglich dürfen diese Fristen zwar verlängert, aber nicht verkürzt werden – und die Frist für den Unternehmer (die Gesellschaft) darf nicht kürzer sein als die für den Handelsvertreter. Das heißt, beide Seiten müssen mindestens die gesetzlichen Fristen wahren; längere Fristen können vereinbart werden, müssen dann aber für beide Parteien gleich lang sein.
Für nebenberufliche Handelsvertreter (die den Vertreterjob im Nebenberuf ausüben) gilt nach § 92b HGB eine Sonderregel: Hier beträgt die Kündigungsfrist des Handelsvertretervertrages ein Monat zum Monatsende, unabhängig von der Dauer der Tätigkeit. Auch diese kann vertraglich verlängert werden, aber ebenfalls nur symmetrisch für beide Seiten und laut der Rechtsprechung des BGH auch nur auf maximal 1 Jahr.
Handelsvertretervertrag: Außerordentliche (fristlose) Kündigung aus wichtigem Grund
Neben der ordentlichen Kündigung mit Frist gibt es die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grund (§ 89a HGB). Diese kommt zum Tragen, wenn einer Vertragspartei die Fortsetzung des Vertrags bis zum Ablauf der regulären Frist unzumutbar ist. In einem solchen Fall kann jede Partei den Vertrag fristlos kündigen, ohne Einhaltung einer Frist. Dieses Recht auf fristlose Kündigung kann vertraglich nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Ein wichtiger Grund für die Kündigung des Handelsvertretervertrages liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer der kündigenden Partei die Weiterführung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann. Typische Beispiele aus der Rechtsprechung sind etwa schwerwiegende Vertragsverstöße: Zum Beispiel das Ausüben einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit durch den Handelsvertreter (ohne erforderliche Zustimmung des Unternehmens) oder umgekehrt eine einseitige Provisionskürzung bzw. unerlaubte Gebietsänderung durch das Unternehmen.
Auch das Abwerben von Kunden des vertretenen Unternehmens oder eine nachweisliche andauernde Untätigkeit des Handelsvertreters können wichtige Kündigungsgründe sein. In solchen Fällen ist das Vertrauensverhältnis so gestört, dass eine sofortige Beendigung gerechtfertigt ist.
Bei der fristlosen Kündigung sollte man jedoch vorsichtig vorgehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt es sich, die fristlose Kündigung nur als letztes Mittel einzusetzen. In weniger gravierenden Fällen verlangt die Rechtsprechung oft, dass vor einer außerordentlichen Kündigung zunächst eine Abmahnung ausgesprochen wird. Eine Abmahnung dient dazu, das Fehlverhalten zu rügen und dem Vertragspartner die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu korrigieren. Nur wenn das Fehlverhalten so gravierend ist, dass das Vertrauen endgültig zerstört ist, kann auf die Abmahnung verzichtet werden. Die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes liegt bei der Partei, die fristlos kündigt. Daher sollte ein wichtiger Grund immer gut dokumentiert sein.
In der Praxis sprechen viele Unternehmen im Zweifel vorsorglich eine doppelte Kündigung aus: Sie erklären gleichzeitig die fristlose (außerordentliche) Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin. So stellt man sicher, dass zumindest die ordentliche Kündigung greift, falls die fristlose vom Gericht als unwirksam angesehen wird. Dies ist zwar kein Muss, aber ein häufiger Praxis-Tipp, um Rechtsunsicherheiten zu minimieren.
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Formvorschriften und Zugang der Kündigung
Gesetzlich vorgeschriebene Form: Interessanterweise schreibt das Gesetz keine besondere Form für die Kündigung eines Handelsvertretervertrags vor. Rein theoretisch könnte eine Kündigung des Vertrags mündlich oder per E-Mail ausgesprochen werden. Allerdings enthalten Handelsvertreterverträge in der Praxis meist vereinbarte Formvorschriften, häufig die Schriftform. Das bedeutet, der Vertrag für Handelsvertreter verlangt, dass die Kündigung schriftlich erfolgt (oft in Form eines unterschriebenen Briefs).
Diese vertragliche Schriftformklausel dient in erster Linie der Beweissicherheit, denn nur selten wird im Handelsvertretervertrag ausdrücklich geregelt, dass eine Kündigung bei Nichteinhaltung der Schriftform unwirksam ist. Dennoch sollte man sich an die geforderte Form halten. Empfehlenswert ist stets eine schriftliche Kündigung per Brief mit Einwurf-Einschreiben oder Fax, am besten mit Unterschrift, um später im Streitfall den Nachweis über den Inhalt und Zugang der Kündigung des Handelsvertretervertrages führen zu können.
Eine Zustellung per Einschreiben oder Übergabe gegen Quittung ist ratsam, damit der Zugang belegbar ist – denn die Kündigung wird erst wirksam, wenn sie dem Vertragspartner zugegangen ist. Erklären sie die Kündigung auch doppelt, also bspw. per Einschreiben und per Mail. Wir haben es auch schon erlebt, dass selbst Einschreiben nicht zugestellt wurden und so stellen Sie den Zugang der Kündigung auf jeden Fall sicher.
Kündigungsgründe und Beendigungszeitpunkt
Im Kündigungsschreiben selbst muss man keine Gründe angeben, wenn es sich um eine ordentliche Kündigung handelt. Es reicht, eindeutig zu erklären, dass man den Vertrag kündigt, und den Beendigungszeitpunkt (z.B. “hiermit kündige ich zum XX.XX.20XX”) anzugeben. Die Angabe eines Kündigungsgrunds ist nur bei der fristlosen Kündigung erforderlich – und selbst da nicht gesetzlich zwingend im Schreiben selbst, aber aus Fairness und Klarheit sollte der wichtigste Grund genannt oder zumindest auf Verlangen nachträglich mitgeteilt werden.
Vollmacht-Beifügung: Ein häufiger formeller Stolperstein ist § 174 BGB: Kündigt nicht der Unternehmer oder Vertreter selbst, sondern z. B. ein bevollmächtigter Anwalt oder Manager, muss dem Kündigungsschreiben eine Original-Vollmacht des Kündigenden beiliegen.
Fehlt diese Vollmacht, kann der Empfänger die Kündigung des Handelsvertretervertrags unverzüglich zurückweisen, und die Kündigung wäre unwirksam. Für Handelsvertreter bedeutet das: Kündigt beispielsweise der Vertriebsleiter im Namen der Versicherungsgesellschaft den Vertrag, sollte eine vom Unternehmen im Original unterzeichnete Bevollmächtigung beiliegen. Umgekehrt, wenn der Handelsvertreter durch einen Anwalt kündigen lässt, muss dieser ebenfalls die Vollmacht beilegen. Dieses Detail wird oft vergessen und kann dazu führen, dass eine eigentlich fristgerecht abgesandte Kündigung des Handelsvertretervertrags ins Leere geht.
Häufige Fehler bei der Kündigung des Handelsvertretervertrags
Abschließend einige häufige Fehler, die bei der Kündigung eines Handelsvertretervertrags passieren können, und wie man sie vermeidet:
• Falsche Kündigungsfristen oder -termine: Ein klassischer Fehler ist, die Kündigungsfrist falsch zu berechnen oder nicht zum zulässigen Termin zu kündigen. Beispielsweise wird zum 15. des Monats gekündigt, obwohl laut Gesetz nur zum Monatsende zulässig ist. Oder es wird eine zu kurze Frist für die Kündigung des Handelsvertretervertrags gesetzt (z.B. 1 Monat, obwohl aufgrund langer Vertragsdauer 6 Monate nötig wären). Solche Fehler können dazu führen, dass die Kündigung erst später wirksam wird oder im schlimmsten Fall unwirksam ist. Tipp: Vertrag und Gesetz genau prüfen und Kündigungsdatum sowie Frist kalendermäßig korrekt bestimmen.
• Nichtbeachtung der Form: Wie erwähnt, kann die Nicht-Einhaltung der vereinbarten Schriftform problematisch sein. Wer etwa den Handelsvertretervertrag nur telefonisch kündigt, obwohl der Vertrag die Schriftform vorsieht, riskiert Streit über die Wirksamkeit der Kündigung. Ebenso kann das Fehlen einer Vollmachtsurkunde bei Bevollmächtigten die Kündigung scheitern lassen. Tipp: Immer schriftlich kündigen (Brief mit Unterschrift) und bei Vertretung die Vollmacht im Original beilegen.
• Unklare Kündigungserklärung: Die Kündigung sollte unmissverständlich formuliert sein. Vage Formulierungen wie “Ich würde gerne zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen” sind zu vermeiden. Besser ist: “Hiermit kündige ich den Handelsvertretervertrag vom [Datum] ordentlich zum [Datum].” So gibt es keine Unklarheit über den Beendigungstermin des Handelsvertretervertrags. Falls man unsicher ist, wann genau das Vertragsende bei Einhaltung der Frist eintritt, kann man formulieren “zum nächstzulässigen Termin” und sich vorsorglich erkundigen oder dies bestätigen lassen.
• Grundlos fristlose Kündigung: Wer im Affekt fristlos kündigt, ohne dass ein wirklich tragfähiger wichtiger Grund vorliegt, geht ein hohes Risiko ein. Eine unbegründete außerordentliche Kündigung kann als Vertragsbruch gewertet werden und Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Im besten Fall wird sie lediglich als ordentliche Kündigung gewertet (wenn man Glück hat, dass eine Umdeutung akzeptiert wird). Tipp: Nur fristlos kündigen, wenn der Grund wirklich belastbar und dokumentiert ist. Im Zweifel lieber ordentlich kündigen und die Frist abwarten oder zunächst abmahnen.
• Keine Vorbereitung auf Vertragsende: Manchmal kündigen Handelsvertreter spontan, ohne die Konsequenzen bedacht zu haben. Etwa wird nicht bedacht, was mit den Kundenkontakten, Provisionsansprüchen oder dem Ausgleichsanspruch passiert. Oder das Unternehmen kündigt dem Handelsvertreter und dieser versäumt, rechtzeitig seine Ansprüche (z.B. Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB) geltend zu machen. Tipp: Immer vorab planen (siehe Teil 2 unserer Serie zum Handelsvertretervertrag) und bei Kündigung durch das Unternehmen frühzeitig beraten lassen, um keine Rechte zu versäumen.
Richtige Empfänger: Mitunter haben sie mehrere Verträge geschlossen, bspw. mit Dienstleistern oder Banken o.ä., die auch gekündigt werden müssen. Achten Sie daher auch unbedingt darauf, die Kündigung des Handelsvertretervertrags gegenüber dem richtigen Empfänger auszusprechen.
Im nächsten Teil unserer Serie zum Handelsvertretervertrag betrachten wir die praxisnahe Umsetzung der Kündigung – von der strategischen Planung bis zur Übergabe der Kunden und Verhandlung mit dem Unternehmen.
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